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Roland Dörfler 

Captured

23. JULI bis 25. august 2017

in der Langen Straße 32 in Schwäbisch Hall

 


Galerist Cyprian Brenner und Roland Dörflers Tochter: Petra Bögge-Dörfler
Galerist Cyprian Brenner und Roland Dörflers Tochter: Petra Bögge-Dörfler
Dr. Sabine Heilig  während der Eröffnungsrede
Dr. Sabine Heilig während der Eröffnungsrede
Ausstellungssituation
Ausstellungssituation

 

 


 

 

Link Zum Zeitungsartikel

 

 


 

 

 

Pressetext


 

Der 1926 im Erzgebirge geborene Künstler Roland Dörfler gehört zu den wichtigen Zeichnern der letzten 50 Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Nach seinem Wechsel von der Nürnberger an die Stuttgarter Kunstakademie im Jahr 1950, studierte Roland Dörfler bei Willi Baumeister und Manfred Henninger. Beide beeinflussten die künstlerische Entwicklung von Roland Dörfler sehr. Im Zentrum seiner Kunst standen aber immer die Erlebnisse aus dem Krieg, den Jahren der Gefangenschaft und seine Verarbeitung beschäftigten Roland Dörfler sein ganzes Leben lang. „Die bestürzende Hinfälligkeit des Menschen, der nicht individuell gesehen wird, sondern als eine Grundfigur, bestimmt die Zeichnungen und die Bilder Roland Dörflers. Ab 1965 lehrte er an der Braunschweiger Akademie, hatte aber immer die Verbindung zum Südwesten aufrechterhalten. Zwar ist der Zeitbezug in seinem Werk evident, auch die eigene Erfahrung, aber dahinter steht das von der jeweiligen Zeitepoche unabhängige, immer tragische Schicksal des Menschen, das Roland Dörfler anhand von extremen Situationen veranschaulicht. Stürzen, Fallen, Kreuzigung und Folter sind die großen Themen, die ein Mitleidender niederschreibt und malt. Der Mensch wird als Gefäß einer sterblichen Existenz dargestellt. Dieses Immer und Heute beschwört Roland Dörfler auch in großen Formaten, in denen sich das Malerische und zeichnerische durchdringen und gegenseitig in der Wirkung steigern.“ (Günther Wirt)

 

 

 

Eröffnungsrede zur Vernissage am 23. Juli 2017


 

von Dr. Sabine Heilig

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nichts war mehr wie zuvor: 1945 lag Deutschland in Schutt und Asche, 5 Millionen Menschen hatten im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren, die Welt zerbrach in zwei Großmächte, in Ost und West, die sich fortan in unversöhnlichen ideologischen Auseinandersetzungen einen erbitterten Rüstungskrieg, den Kalten Krieg, lieferten. 70 Jahre nach Kriegsende lässt sich resümieren, dass diese für viele Menschen so schwierige Situation jedoch einen Neuanfang bedeutete. Von der „Stunde Null“ war die Rede. Staat – Gesellschaft – Individuum, alle mussten sich neu definieren, im Blick zurück und mit Blick nach vorne. Die Bildenden Künstler bildeten darin keine Ausnahme, waren viele von ihnen doch lange Zeit von Verfemung und Ausgrenzung betroffen und bis hin zur Emigration gezwungen. Für manche Künstler wurde dieser Neuanfang zum Programm: ZERO – Null oder Nichts, nannte sich Ende der 1950er-Jahre eine Gruppe junger Künstler in Düsseldorf. Im Hinblick auf die Darstellung des Menschen in der Kunst dieser Zeit lässt sich sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene eine psychische Verdichtung des Menschenbildes feststellen. Der Wert des Lebens und die Widersprüchlichkeit der menschlichen Existenz spricht aus vielen Werken der figürlichen Kunst nach 1945: Hoffnung und Gefährdung, Freiheitserkenntnis und Freiheitsverlust sind nur einige wenige Stichworte.1950 fand auf der Wilhelmshöhe in Darmstadt eine von der Darmstädter Sezession organisierte Ausstellung unter dem Titel „das menschenbild in unserer zeit“ statt. Im Ausstellungskatalog heißt es dazu: „Im Streit um das Menschenbild der Gegenwart stehen sich (…) nicht nur die Vertreter verschiedener persönlicher Meinungen gegenüber, sondern auch diejenigen verschiedener Epochen, um nicht pathetisch zu sagen: verschiedener Welten. (…) Das einzig Sichere bleibt die Erkenntnis von einer umstürzenden Wandlung. Das Menschenbild ist in ihren Strudel gerissen worden.“ (A. Schmoll gen. Eisenwerth). Die allgemeine, öffentlich auch heftigst ausgeführte Diskussion über die Frage: Figuration oder Abstraktion?, führte zu keiner Lösung für die Darstellung des Menschenbildes, da sie lediglich polarisierte. Rückblickend betrachtet resultierte aus dieser neuen, schöpferisch befreienden Situation nach 1945 ein überaus facettenreiches künstlerisches Spektrum, auch im Hinblick auf die gegenständlich bezogene Kunst. Ob Wols, eigentlich Wolfgang Schulze, der nach Frankreich ausgewandert war und dessen frühe Menschenbilder gezeichnet sind von Verletzung, Leid und Alterung oder Herbert Kitzel in Karlsruhe, dessen Werk die Machtlosigkeit des Menschen gegenüber Tod und Diktatur widerspiegeln, oder denken wir an das Schaffen von Alberto Giacometti und Francis Bacon sowie im deutschen Südwesten z.B. an Jürgen Brodwolf oder an dessen Vorgänger an der Stuttgarter Akademie Rudolf Hoflehner – ihnen allen sind vom Existentialismus beeinflusste Werke eigen. Zur damaligen jungen Nachkriegsgeneration gehörte auch Roland Dörfler, der bis 1954 an der Stuttgarter Akademie bei Manfred Henninger und Hans Meid studierte. Ihn interessierten die Auseinandersetzungen zwischen abstrakter und gegenständlicher Position nicht. Ihm ging es um eine eigene künstlerische Realisation, um ein individuell gesehenes und erlebtes Menschenbild (Günther Wirth) 1926 im böhmischen Silberbach geboren, am Kriegsende noch zum Arbeitsdienst eingezogen, Einsatz im Westen, Gefangenschaft in Frankreich. Roland Dörfler, dessen künstlerisches Schaffen mit Zeichnungen in dieser Zeit einsetzt, begann 1948 das Studium zunächst an der Kunstakademie in Nürnberg bei Prof. Fritz Griebel. 1950 wechselte er an die Stuttgarter Akademie, dort auch als Gaststudent bei Willi Baumeister, mit dessen Klasse er zweimal (1951, 1952) zu Studienzwecken nach Paris reiste. Zwei noch aus der Kenntnis der Informellen Kunst entwickelten frühe Werke Dörflers hier in der Galerie Cyprian Brenner zeugen von dieser Auseinandersetzung („Helle Zonen“, 1962). Der Künstler malt damals ganz aus der Farbe heraus in einem locker gehaltenen Farbauftrag und mit einer großen „Sensibilität für die innere Struktur der Dinge“ (G. Wirth). Gerd Winner hat etwas ganz Ähnliches über den Künstler gesagt: „Roland Dörfler dringt tief in seine Menschenfiguren ein“ (Kat. R.D., Das zeichnerische Werk, S. 7). Auch Winner sieht die Grundlagen des Dörfler’schen Schaffens im Erleben von Kriegs und Nachkriegszeit, im täglichen Existenzkampf, der existentiellen Angst und in der Dramatik des menschlichen Lebens. Dörflers „Ringen um eine Körpersprache“ (G.Wirth) führte ihn zu einer Neufindung der Figur, die etwa ab 1964/65 einsetzt. Ausgangspunkt und Ursprung sind in Roland Dörflers zeichnerischem Schaffen zu finden – ein grandioses Werk, das gleichwertig neben dem Malerischen steht. Ein großformatiges Beispiel seiner Zeichenkunst ist hier mit „Figuren und Stangen II“ (1981/82) vertreten. Der übewiegend männliche Akt in Dörflers Werk ist in unterschiedlichen Haltungen zu sehen. Zumeist ist es die hockende oder liegende Figur; sie steht dabei im Zentrum seines Interesses. Ende der 1960er-Jahre bekommt die zunächst in unbestimmten Räumen befindliche Figur einen konkreten Raum zugewiesen. Es ist sicher kein Zufall, dass der Stil des Hard Egde, der damals in Deutschland für Aufsehen sorgte, dafür Pate stand. Dieser Stil, eine der Farbfeldmalerei nahestehende konstruktivistische Richtung wird von streng gegliederten, abstrakten Kompositionen sowie großen und einfachen, hart voneinander abgegrenzten Farbflächen bestimmt (Frank Stella, Georg Karl Pfahler). Dörfler wählt für sich die Form eines Würfels, den er in die Bildfläche stellt. Der Kubus wird fragmentiert, die menschliche Figur darin als Torso ebenso aufgebrochen wie die sie umgebenden Würfelelemente. Hinzu tritt eine helle, kontrastreiche Farbigkeit, vielfach wird ein leuchtendes Grün verwendet („Würfelfragment“, 1968/69, „Würfel durchbrochen II“, 1969). Dann, Anfang der 1970er-Jahre, stellt Roland Dörfler leere Kartonagen dar, die er in den unbegrenzten Farbraum setzt, geschlossen oder aufgeklappt, gestapelt oder gereiht ohne jegliche Hinzufügung der menschlichen Figur („Karton – ocker“, 1973, „Variation“, 1973). Es gibt auch Arbeiten mit collagierten Zeitungsausschnitten („Schachtel und Zeitungen“, 1973) oder er umhüllt den Würfel bzw. Karton mit einer gemalten Verpackung („Würfel verpackt“, 1973). Doch diese Phase der reinen Kartonbilder endet 1975 – sie ist aber für die Entwicklung des Folgewerks von großer Bedeutung. Ausgehend von dieser „leisen Beziehung zwischen Ding und Raum“ setzt Dörfler anschließend die Figur immer in einen räumlichen Kontext. Die großformatigen Bilder der 1980er- und 1990er- Jahre, in denen die Monumentalität der Figuren noch gewachsen ist, weisen der Figur einen begrenzten Raum auf der Bildfläche zu. Dörflers Darstellungen zeigen den Menschen nie in voller Größe oder stehend und hoch aufgerichtet. Er ist im Gegenteil in sich gesunken oder erscheint versehrt, die kleinen Köpfe sind meist vom Betrachter abgewandt. Mumienhaft bleiben die Gliedmaße dicht am Körper oder ähnlich einem Kokon darin verpackt. Der Mensch ist schutzlos ausgeliefert und zugleich Schutz suchend („Urteil I“, 1995). Wir erleben die Figur in diesen Bildern in einer tiefen Gefährdung, als ein Wesen, das viel erlitten hat. Durch die dünnflüssigen, transparenten Farblagen erscheint die dargestellte Körperlichkeit sehr fragil, und die teilweise über die Leiber gelegten durchscheinenden Tücher eher wie Fesseln, denn als Schutz („Verhülltes Paar“, 1995). Captured – so der heutige Ausstellungstitel heißt übersetzt so viel wie: gefesselt, gefangen, eingefangen. Und genauso tritt uns Roland Dörflers Menschenbild entgegen. Zusätzlich zur malerischen Umsetzung kommt die Leere in diesen Bildern und das Prinzip der Isolation der Figuren, die scheinbar ohne Beziehung nebeneinander dargestellt sind. Dieses kompositorische Mittel der Vereinzelung hat Roland Dörfler auch in den meisten Passionsbildern eingesetzt. Ausgangspunkt für das Thema der „Kreuzigung“ war ein Wettbewerb für ein Altarbild in der Stiftskirche von Gifhorn bei Braunschweig, in dem die Figuren zunächst noch miteinander agieren (1978). Anders in dem hier ausgestellten Triptychon aus dem Jahr 1985 (Mischtechnik auf Papier, je 200 x 150 cm). Es zeigt drei fast gänzlich voneinander abgetrennte Bildräume, die lediglich in der Farbigkeit miteinander kommunizieren. In der verschachtelten Würfelarchitektur liegt bzw. hockt die menschliche Figur jeweils ohne Bezug zu den anderen. Charakteristisch für den Künstler schieben sich Kopf und Oberkörper der Liegenden dem Betrachter entgegen. Der Unterleib verschwindet im verschatteten Hintergrund zwischen den Kuben. Die menschliche Figur ist nur von wenigen zarten Umrisslinien erfasst, so als ob sie sich bereits in der Auflösung befinden würde. Die Assoziation einer Grabessituation stellt sich ein. Dazu mag auch die über alle drei Bildteile reichende rechteckige „Öffnung“ am unteren Bildrand passen. Das Farbspektrum, das sich in schwarzen, weißen, roten und braunen Nuancen bewegt, gliedert die gesamte Komposition in ein Wechselspiel von Licht und Schatten. Gottfried Sello hat diese großformatige, in Mischtechnik entstandene Werke Dörflers als „Sinnbilder unserer verschachtelten Existenz“ bezeichnet (Kat. R.D., Das malerische Werk, S. 13). Das Spätwerk des Künstlers, der 2010 starb, ist von einer intensiveren Farbigkeit mit großer Leuchtkraft geprägt, wie die Bilder dieser Ausstellung in den leuchtenden Farben Gelb („Über die gelbe Mauer“, 1997) oder Blau („Figuren im Blau“, 2002) zeigen. 1989 war Dörfler wieder zur Ölfarbe zurückgekehrt. Und auch im letzten Lebensjahrzehnt entstanden noch zahlreiche buntfarbige Aquarelle von den Küstenlandschaften Frankreichs, auch Strandszenen, die seine Lebensfreude und Liebe zur Natur ausdrücken. „Du weißt“, sagte Dörfler einmal im Gespräch, „mich interessiert der menschliche Körper in der Allmacht und Gewalt des Raumes“ (zit. Aus Text G. Wirth, Kat. S. 14). Der Raum – synonym für unsere Lebensumwelt – wird dabei zur Metapher. Zu einem Sinnbild dafür, dass der Mensch durch die äußeren Umstände bestimmt und beeinflusst wird. Das Schicksalhafte, das sich dem Einfluss des Menschen entzieht, hat dabei einen großen Anteil an seinem Leben. Das ist es, was uns der Künstler in seinem Werk zeigen möchte.

 

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen, im Juli 2017


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