GCB Kunstlexikon
FERNE HEIMAT
KUNSTWERKE FERNE HEIMAT
Ferne Heimat, Peter Witt, Düne im Gegenlicht, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 80 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Strandkörbe, 2024, Öl auf Leinwand, 29,5 cm x 40 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Welle im Gegenlicht I, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Dünen im Gegenlicht, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Winter am Kampener Leuchtturm/Sylt, 2023, Öl auf Leinwand, 40 cm x 50 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Strandkorb auf Sylt, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 100 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Am Weststrand Sylt, 2022, Öl auf Leinwand, 50 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Gegenlicht am Sylter Weststrand, 2023, Öl auf Leinwand, 70 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Helmut Helmes, Sonnenfeld, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 170 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
BESCHREIBUNG DER WERKE ZUM THEMA FERNE HEIMAT
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Peter Witt geht pastoser vor und fängt durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur ein, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht als
roter Faden das vielfältige Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’. In den Werken von Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und Fauna dieses artenreichen Biotops. Seine Werke bieten sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis.
VERNISSAGEREDE FERNE HEIMAT
Vernissagerede 22. Juni 2024, 19 Uhr zur Ausstellungseröffnung im Rahmen der Langen Kunstnacht Augsburg mit Werken der nord-deutschen Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
ich freue mich sehr, dass ich Ihnen nun eine Einführung in unsere Ausstellung „Ferne Heimat“, die wir heute Abend im Rahmen der Langen Kunstnacht eröffnen, geben darf. Kuratiert und zusammengestellt haben wir die hier gezeigten Kunstwerke unter dem Motto „Reiselust“, welches auch das Motto der diesjährigen Kunstnacht ist. Der #hinundweg wurde dazu vom Kulturamt Augsburg ins Leben gerufen. Hin und weg waren wir auch beim Anblick der Werke der drei Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt, die uns visuell auf eine Reise in den idyllischen Norden Deutschlands schicken. Denn eines verbindet die drei Künstler neben ihrer Leidenschaft für die Malerei: Die Liebe zur Heimat, zur Nord- und Ostsee. Genießen Sie mit uns die unendliche Weite der Dünen und Heiden sowie die einmalige Natur, geprägt von Ebbe und Flut, so fern und doch so nah, eingefangen in großartigen Kunstwerken.
Natur und Landschaft sollen hierbei aber nicht nur im Kontext von Ästhetik und unserer oftmals verklärten, idealisierten Vorstellung betrachtet werden.
Mitunter durch den Einfluss des berühmten Romantikers Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr die Kunstwelt feiert, und geprägt von einer langen Tradition der Landschaftsmalerei, entstanden die hier gezeigten Werke und repräsentieren eine tief in uns verankerte und ursprüngliche Sehnsucht in einem modernen und zeitgenössischen Kontext: Das Bewahren und Einfangen unserer zauberhaften und atmosphärischen, ja vor allem schützenswerten, Natur – entgegen aller Entzauberung durch Industrialisierung, Globalisierung und Klimawandel. Doch im Gegensatz zu den Romantikern, deren Werke sich mit ihrer Betonung des Gefühls, des Träumerischen und Subjektiven, in oftmals religiösem Kontext, gegen das damals vorherrschende aufklärerische-naturwissenschaftliche Weltbild wandten, scheinen diese Landschaftsbilder ein mitunter anderes, wenn auch vergleichbares Ziel zu verfolgen. Erleben wir aktuell eine Art Revival der Romantik?
Die Gegebenheiten in der Postmoderne sind zugegebenermaßen andere und die hier gezeigten Werke sind dementsprechend differenzierter zu interpretieren.
Wir leben inzwischen in einer aufgeklärten Welt und auch die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge sind der Menschheit größtenteils bekannt. Im 21. Jahrhundert leben wir in einer zunehmend digitalisierten Welt, die vor neuen Problemen steht. Die Werke der renommierten Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt nehmen uns unter dem Motto „Ferne Heimat“ mit auf eine Reise in den hohen Norden Deutschlands, in den Sehnsuchtsort Natur. Auf ihre Aktualität bezogen sind die Werke auch ein Versuch unserer hektischen, urbanen und materiellen Welt zu entfliehen. Einer Welt und deren Bevölkerung, welche mit Kriegen, Krisen, Naturkatastrophen und einer neuen Technologie, der Künstlichen Intelligenz, zunehmend konfrontiert wird. Legen wir also den Fokus auf etwas, das uns von Mutter Natur gegeben wurde, uns Energie und Harmonie vermittelt: menschenleere und zugleich magische Landschaften, die uns Zeit und Raum vergessen lassen.
Die „Ferne Heimat“ der drei Künstler gilt als eine der empfindlichsten, artenreichsten und schützenswertesten Biotope Deutschlands, nicht umsonst wurde das Wattenmeer 2009 als weltweit einzigartig zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt. Auch wenn diese Auffassung im historischen Zusammenhang als eine sehr junge Sehweise gilt, betrifft sie doch die dort lebenden und arbeitenden Menschen seit jeher. Die Nord- und Ostsee als Motive haben daher auch eine lange Tradition in der deutschen Landschaftsmalerei, wenn mitunter auch eine kontroverse Vergangenheit zum Beispiel zur Zeit des Nationalsozialismus. Dennoch sind und bleiben sie beliebt und scheinen eine nahezu magische Anziehungskraft auf Künstler und Touristen auszuüben. „Die vielfältigen Reize unseres Landes wissen auch die weit über fünf Millionen Gäste zu schätzen, die sich alljährlich zwischen Nord- und Ostsee erholen.“, so Peter Carstensen, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein im Jahre 2012. Meiner Recherche nach sind es inzwischen sogar 20 Millionen jährlich. Und obwohl Nordsee und Wattenmeer als etwas real Gegebenes und physisch Erfahrbares existieren, gibt es vielerlei Sichtweise auf diese Region. Ein Fischer hat einen anderen Blick auf die Nord- oder Ostsee als ein Tourist, ein Naturschützer oder ein Kind. Die Wahrnehmung und die Darstellung unterliegen einer subjektiven Vieldeutigkeit, die unter anderem kulturgeschichtliche, ideologische und politische Zusammenhänge sowie durch den individuellen Kontext bedingt ist. Im Folgenden möchte ich Ihnen die drei Künstler und ihre vielfältigen Werke – eine hochkarätige Auswahl norddeutscher Landschaftsmalerei von naturalistisch und impressionistisch bis hin zu gestisch-expressiv – näherbringen.
Stefan Dobritz und Peter Witt arbeiten bereits seit drei Jahrzehnten als Freunde und Kollegen gemeinsam im schönen Norden Deutschlands. Sie gehen regelmäßig zusammen auf die Suche nach stimmungsvollen, träumerischen Motiven, um diese dann mithilfe von Öl und Spachteltechnik möglichst „au plein air“, sprich unter freiem Himmel, auf den Leinwänden, weniger fotorealistisch als vielmehr impressionistisch, auf den Leinwänden wiederzugeben. Denn vorrangig geht es ihnen darum, das Licht zu malen, statt eines Gegenstandes oder einer Landschaft an sich. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht somit als roter Faden das vielfältiges Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’.
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Die Ostseeküste lädt auch zu wunderbaren Spaziergängen ein und Stefan Dobritz nimm uns dabei mit: „Den Anfang könnte ein weiter Blick vom Hasenberg aus über die sanfte Hügellandschaft mit satt gelb blühenden Rapsfeldern machen, hinweg über Baum- und Buschgruppen, über den grünen Saum der bewaldeten Steilküste hinaus auf das Blau am Horizont, wo an der Hohwachter Bucht Himmel und Meer ineinander übergehen“, so beschreibt der Autor Ulrich Hansen die von Stefan Dobritz gemalte Landschaft „Rapsfelder an der Hohwachter Bucht“. Es ist wohl ein beliebtes Motiv, welches bereits Maler der Spätromantik als auch Expressionisten wie Karl Schmidt Rotluff (1884-1976) auf die Leinwand brachten. Viele uns nun bekannten Plätze und Nord- und Ostsee sind uns bekannt, weil sie durch Brücke-Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Erich Heckel, gemalt wurden. Ihnen ging es vorrangig um die Wiedergabe der intensiven Farbigkeit dieser Pflanzen. „Die Rapsfelder“ von Dobritz gehören in der Ausstellung mitunter zu den farbprächtigsten Arbeiten und löst eine heitere, fast euphorische Stimmung in uns aus.
Peter Witt geht dagegen deutlich pastoser vor und versucht durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur einzufangen, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Fast die ganze Westküste Sylts wird von Dünenketten begleitet, die der ständige Sandflug vor mehr als 2.000 Jahren aufgebaut hat und sich durch den stetigen Wind verändert. In Peter Witts Arbeiten begegnen wir oftmals Dünen mit angepflanztem Strandhafer, der den Sandflug verlangsamt, und einem Strand, der selbst in der Hochsaison einsam zu sein scheint und uns einen Blick auf das Meer inklusive Brandung und den weiten Horizont mit seinen wandernden Wolken gewährt. Der Blick wird durch die Dünen auf das Meer gelenkt und gleicht einer sich öffnenden Bühne. Das faszinierende: Sylt hat einen der wenigen Strände in Schleswig-Holstein, bei dem die Brandung unablässig in nahezu rechtem Winkel auf die Insel zurollt. Sylt bildet somit einen wehrhaften Wellenbrecher, der das Hinterland vor der rauen Naturgewalt, die in der Nordsee herrscht schützt. Die Wellenbilder, des technisch äußerst versierten Künstlers Witt brillieren mit einer geradezu einmaligen Dynamik und Frische.
In den Werken des in Vechta in Niedersachen lebenden Künstlers Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und auch Fauna dieses artenreichen Biotops. Insbesondere die farbigen Blütenköpfe und ihre Blätter der Pflanzen stechen dabei hervor und geben seinen Werken ihre Raffinesse. Neben ihrer Ästhetik und Sinnlichkeit können sie dem Betrachter auch inhaltlich etwas vermitteln, beziehungsweise sprichwörtlich durch die Blume sagen. Blumen stehen für Leben und Vergänglichkeit, sind Liebesbeweis oder repräsentieren Macht und Widerstand in Politik und Gesellschaft. Blumen sind Inspirations- und Kraftquelle für den Menschen und besitzen seit jeher großer Symbolkraft. Zudem sind sie mit ihrer Pracht und Vielfalt an Farben und Formen das häufigste gemalte Motiv in der Kunst. Um Emil Nolde zu zitieren: „…Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an, und fast plötzlich war ich beim Malen…“ Aber die Herangehensweisen und Techniken könnten in der Kunstwelt nicht unterschiedlicher sein. Helmut Helmes abstrakte Pinselstriche und Farbanhäufungen bieten uns sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis. Die Materialität und der expressive Auftrag der Farbe lassen Bewegung spüren. Fast scheint es, als wolle der Künstler dazu einladen, mit ihm hinter der schrundigen Oberfläche nach etwas suchen, was im Innern unserer zauberhaften Natur verborgen ist. In einigen seiner Werke erleben wir die dargestellte Landschaft aus der Froschperspektive heraus. Wir bekommen so das Gefühl ein kleinerer Bestandteil dieser Welt zu sein, als wir es tatsächlich sind. Es entsteht ein unmittelbarer Dialog. Das Phänomen der Vergrößerung durchzieht das Werk des Künstlers. Verstärkt wird dieser Eindruck durch viele Bildebenen, die teils ineinander verlaufen, teils klar differenzierbar sind. Sehr oft stehen wir der vordersten und vergrößerten Bildebene sehr dicht gegenüber. Wir werden geradezu von der Natur überwältigt. Mitunter vielleicht auch eine Kritik an unsere Gesellschaft, die stets über der Natur stehen möchte. In diesen Werken geben auf jeden Fall die Pflanzen den Ton an und das in unglaublich lebendiger Art und Weise. Beachtung schenkt der Künstler auch den unscheinbareren und kleineren Lebewesen und belebt somit die nahezu in Vergessenheit geratene Tiermalerei als klassischen Gattung der gegenständlichen Malerei wieder. Bei Helmes liegt der Fokus tatsächlich auf dem Tier selbst, der Hintergrund spielt weniger eine Rolle. Auch scheint es so, als wären die Tiere vielmehr aus der Farbe selbst heraus modelliert worden. In seinen Tierbildern erreicht die Pastosität oftmals einen fulminanten Höhepunkt.
[…]
Maximilliane Umlauf, M.A. Kunst- und Kulturgeschichte
KÜNSTLER DER AUSSTELLUNG FERNE HEIMAT
BIBLIOGRAPHIE FERNE HEIMAT
Nina Hinrichs: Wattenmeer und Nordsee in der Kunst, Darstellungen von Nolde bis Beckmann, 2. Auflage, V&R unipress, Göttingen 2019.
LINKS FERNE HEIMAT
FERNE HEIMAT
KUNSTWERKE FERNE HEIMAT
Ferne Heimat, Peter Witt, Düne im Gegenlicht, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 80 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Strandkörbe, 2024, Öl auf Leinwand, 29,5 cm x 40 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Welle im Gegenlicht I, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Dünen im Gegenlicht, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Winter am Kampener Leuchtturm/Sylt, 2023, Öl auf Leinwand, 40 cm x 50 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Strandkorb auf Sylt, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 100 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Am Weststrand Sylt, 2022, Öl auf Leinwand, 50 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Gegenlicht am Sylter Weststrand, 2023, Öl auf Leinwand, 70 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Helmut Helmes, Sonnenfeld, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 170 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
BESCHREIBUNG DER WERKE ZUM THEMA FERNE HEIMAT
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Peter Witt geht pastoser vor und fängt durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur ein, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht als
roter Faden das vielfältige Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’. In den Werken von Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und Fauna dieses artenreichen Biotops. Seine Werke bieten sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis.
VERNISSAGEREDE FERNE HEIMAT
Vernissagerede 22. Juni 2024, 19 Uhr zur Ausstellungseröffnung im Rahmen der Langen Kunstnacht Augsburg mit Werken der nord-deutschen Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
ich freue mich sehr, dass ich Ihnen nun eine Einführung in unsere Ausstellung „Ferne Heimat“, die wir heute Abend im Rahmen der Langen Kunstnacht eröffnen, geben darf. Kuratiert und zusammengestellt haben wir die hier gezeigten Kunstwerke unter dem Motto „Reiselust“, welches auch das Motto der diesjährigen Kunstnacht ist. Der #hinundweg wurde dazu vom Kulturamt Augsburg ins Leben gerufen. Hin und weg waren wir auch beim Anblick der Werke der drei Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt, die uns visuell auf eine Reise in den idyllischen Norden Deutschlands schicken. Denn eines verbindet die drei Künstler neben ihrer Leidenschaft für die Malerei: Die Liebe zur Heimat, zur Nord- und Ostsee. Genießen Sie mit uns die unendliche Weite der Dünen und Heiden sowie die einmalige Natur, geprägt von Ebbe und Flut, so fern und doch so nah, eingefangen in großartigen Kunstwerken.
Natur und Landschaft sollen hierbei aber nicht nur im Kontext von Ästhetik und unserer oftmals verklärten, idealisierten Vorstellung betrachtet werden.
Mitunter durch den Einfluss des berühmten Romantikers Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr die Kunstwelt feiert, und geprägt von einer langen Tradition der Landschaftsmalerei, entstanden die hier gezeigten Werke und repräsentieren eine tief in uns verankerte und ursprüngliche Sehnsucht in einem modernen und zeitgenössischen Kontext: Das Bewahren und Einfangen unserer zauberhaften und atmosphärischen, ja vor allem schützenswerten, Natur – entgegen aller Entzauberung durch Industrialisierung, Globalisierung und Klimawandel. Doch im Gegensatz zu den Romantikern, deren Werke sich mit ihrer Betonung des Gefühls, des Träumerischen und Subjektiven, in oftmals religiösem Kontext, gegen das damals vorherrschende aufklärerische-naturwissenschaftliche Weltbild wandten, scheinen diese Landschaftsbilder ein mitunter anderes, wenn auch vergleichbares Ziel zu verfolgen. Erleben wir aktuell eine Art Revival der Romantik?
Die Gegebenheiten in der Postmoderne sind zugegebenermaßen andere und die hier gezeigten Werke sind dementsprechend differenzierter zu interpretieren.
Wir leben inzwischen in einer aufgeklärten Welt und auch die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge sind der Menschheit größtenteils bekannt. Im 21. Jahrhundert leben wir in einer zunehmend digitalisierten Welt, die vor neuen Problemen steht. Die Werke der renommierten Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt nehmen uns unter dem Motto „Ferne Heimat“ mit auf eine Reise in den hohen Norden Deutschlands, in den Sehnsuchtsort Natur. Auf ihre Aktualität bezogen sind die Werke auch ein Versuch unserer hektischen, urbanen und materiellen Welt zu entfliehen. Einer Welt und deren Bevölkerung, welche mit Kriegen, Krisen, Naturkatastrophen und einer neuen Technologie, der Künstlichen Intelligenz, zunehmend konfrontiert wird. Legen wir also den Fokus auf etwas, das uns von Mutter Natur gegeben wurde, uns Energie und Harmonie vermittelt: menschenleere und zugleich magische Landschaften, die uns Zeit und Raum vergessen lassen.
Die „Ferne Heimat“ der drei Künstler gilt als eine der empfindlichsten, artenreichsten und schützenswertesten Biotope Deutschlands, nicht umsonst wurde das Wattenmeer 2009 als weltweit einzigartig zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt. Auch wenn diese Auffassung im historischen Zusammenhang als eine sehr junge Sehweise gilt, betrifft sie doch die dort lebenden und arbeitenden Menschen seit jeher. Die Nord- und Ostsee als Motive haben daher auch eine lange Tradition in der deutschen Landschaftsmalerei, wenn mitunter auch eine kontroverse Vergangenheit zum Beispiel zur Zeit des Nationalsozialismus. Dennoch sind und bleiben sie beliebt und scheinen eine nahezu magische Anziehungskraft auf Künstler und Touristen auszuüben. „Die vielfältigen Reize unseres Landes wissen auch die weit über fünf Millionen Gäste zu schätzen, die sich alljährlich zwischen Nord- und Ostsee erholen.“, so Peter Carstensen, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein im Jahre 2012. Meiner Recherche nach sind es inzwischen sogar 20 Millionen jährlich. Und obwohl Nordsee und Wattenmeer als etwas real Gegebenes und physisch Erfahrbares existieren, gibt es vielerlei Sichtweise auf diese Region. Ein Fischer hat einen anderen Blick auf die Nord- oder Ostsee als ein Tourist, ein Naturschützer oder ein Kind. Die Wahrnehmung und die Darstellung unterliegen einer subjektiven Vieldeutigkeit, die unter anderem kulturgeschichtliche, ideologische und politische Zusammenhänge sowie durch den individuellen Kontext bedingt ist. Im Folgenden möchte ich Ihnen die drei Künstler und ihre vielfältigen Werke – eine hochkarätige Auswahl norddeutscher Landschaftsmalerei von naturalistisch und impressionistisch bis hin zu gestisch-expressiv – näherbringen.
Stefan Dobritz und Peter Witt arbeiten bereits seit drei Jahrzehnten als Freunde und Kollegen gemeinsam im schönen Norden Deutschlands. Sie gehen regelmäßig zusammen auf die Suche nach stimmungsvollen, träumerischen Motiven, um diese dann mithilfe von Öl und Spachteltechnik möglichst „au plein air“, sprich unter freiem Himmel, auf den Leinwänden, weniger fotorealistisch als vielmehr impressionistisch, auf den Leinwänden wiederzugeben. Denn vorrangig geht es ihnen darum, das Licht zu malen, statt eines Gegenstandes oder einer Landschaft an sich. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht somit als roter Faden das vielfältiges Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’.
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Die Ostseeküste lädt auch zu wunderbaren Spaziergängen ein und Stefan Dobritz nimm uns dabei mit: „Den Anfang könnte ein weiter Blick vom Hasenberg aus über die sanfte Hügellandschaft mit satt gelb blühenden Rapsfeldern machen, hinweg über Baum- und Buschgruppen, über den grünen Saum der bewaldeten Steilküste hinaus auf das Blau am Horizont, wo an der Hohwachter Bucht Himmel und Meer ineinander übergehen“, so beschreibt der Autor Ulrich Hansen die von Stefan Dobritz gemalte Landschaft „Rapsfelder an der Hohwachter Bucht“. Es ist wohl ein beliebtes Motiv, welches bereits Maler der Spätromantik als auch Expressionisten wie Karl Schmidt Rotluff (1884-1976) auf die Leinwand brachten. Viele uns nun bekannten Plätze und Nord- und Ostsee sind uns bekannt, weil sie durch Brücke-Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Erich Heckel, gemalt wurden. Ihnen ging es vorrangig um die Wiedergabe der intensiven Farbigkeit dieser Pflanzen. „Die Rapsfelder“ von Dobritz gehören in der Ausstellung mitunter zu den farbprächtigsten Arbeiten und löst eine heitere, fast euphorische Stimmung in uns aus.
Peter Witt geht dagegen deutlich pastoser vor und versucht durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur einzufangen, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Fast die ganze Westküste Sylts wird von Dünenketten begleitet, die der ständige Sandflug vor mehr als 2.000 Jahren aufgebaut hat und sich durch den stetigen Wind verändert. In Peter Witts Arbeiten begegnen wir oftmals Dünen mit angepflanztem Strandhafer, der den Sandflug verlangsamt, und einem Strand, der selbst in der Hochsaison einsam zu sein scheint und uns einen Blick auf das Meer inklusive Brandung und den weiten Horizont mit seinen wandernden Wolken gewährt. Der Blick wird durch die Dünen auf das Meer gelenkt und gleicht einer sich öffnenden Bühne. Das faszinierende: Sylt hat einen der wenigen Strände in Schleswig-Holstein, bei dem die Brandung unablässig in nahezu rechtem Winkel auf die Insel zurollt. Sylt bildet somit einen wehrhaften Wellenbrecher, der das Hinterland vor der rauen Naturgewalt, die in der Nordsee herrscht schützt. Die Wellenbilder, des technisch äußerst versierten Künstlers Witt brillieren mit einer geradezu einmaligen Dynamik und Frische.
In den Werken des in Vechta in Niedersachen lebenden Künstlers Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und auch Fauna dieses artenreichen Biotops. Insbesondere die farbigen Blütenköpfe und ihre Blätter der Pflanzen stechen dabei hervor und geben seinen Werken ihre Raffinesse. Neben ihrer Ästhetik und Sinnlichkeit können sie dem Betrachter auch inhaltlich etwas vermitteln, beziehungsweise sprichwörtlich durch die Blume sagen. Blumen stehen für Leben und Vergänglichkeit, sind Liebesbeweis oder repräsentieren Macht und Widerstand in Politik und Gesellschaft. Blumen sind Inspirations- und Kraftquelle für den Menschen und besitzen seit jeher großer Symbolkraft. Zudem sind sie mit ihrer Pracht und Vielfalt an Farben und Formen das häufigste gemalte Motiv in der Kunst. Um Emil Nolde zu zitieren: „…Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an, und fast plötzlich war ich beim Malen…“ Aber die Herangehensweisen und Techniken könnten in der Kunstwelt nicht unterschiedlicher sein. Helmut Helmes abstrakte Pinselstriche und Farbanhäufungen bieten uns sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis. Die Materialität und der expressive Auftrag der Farbe lassen Bewegung spüren. Fast scheint es, als wolle der Künstler dazu einladen, mit ihm hinter der schrundigen Oberfläche nach etwas suchen, was im Innern unserer zauberhaften Natur verborgen ist. In einigen seiner Werke erleben wir die dargestellte Landschaft aus der Froschperspektive heraus. Wir bekommen so das Gefühl ein kleinerer Bestandteil dieser Welt zu sein, als wir es tatsächlich sind. Es entsteht ein unmittelbarer Dialog. Das Phänomen der Vergrößerung durchzieht das Werk des Künstlers. Verstärkt wird dieser Eindruck durch viele Bildebenen, die teils ineinander verlaufen, teils klar differenzierbar sind. Sehr oft stehen wir der vordersten und vergrößerten Bildebene sehr dicht gegenüber. Wir werden geradezu von der Natur überwältigt. Mitunter vielleicht auch eine Kritik an unsere Gesellschaft, die stets über der Natur stehen möchte. In diesen Werken geben auf jeden Fall die Pflanzen den Ton an und das in unglaublich lebendiger Art und Weise. Beachtung schenkt der Künstler auch den unscheinbareren und kleineren Lebewesen und belebt somit die nahezu in Vergessenheit geratene Tiermalerei als klassischen Gattung der gegenständlichen Malerei wieder. Bei Helmes liegt der Fokus tatsächlich auf dem Tier selbst, der Hintergrund spielt weniger eine Rolle. Auch scheint es so, als wären die Tiere vielmehr aus der Farbe selbst heraus modelliert worden. In seinen Tierbildern erreicht die Pastosität oftmals einen fulminanten Höhepunkt.
[…]
Maximilliane Umlauf, M.A. Kunst- und Kulturgeschichte
KÜNSTLER DER AUSSTELLUNG FERNE HEIMAT
BIBLIOGRAPHIE FERNE HEIMAT
Nina Hinrichs: Wattenmeer und Nordsee in der Kunst, Darstellungen von Nolde bis Beckmann, 2. Auflage, V&R unipress, Göttingen 2019.
LINKS FERNE HEIMAT
FERNE HEIMAT
KUNSTWERKE FERNE HEIMAT
Ferne Heimat, Peter Witt, Düne im Gegenlicht, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 80 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Strandkörbe, 2024, Öl auf Leinwand, 29,5 cm x 40 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Welle im Gegenlicht I, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Dünen im Gegenlicht, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Winter am Kampener Leuchtturm/Sylt, 2023, Öl auf Leinwand, 40 cm x 50 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Peter Witt, Strandkorb auf Sylt, 2024, Öl auf Leinwand, 100 cm x 100 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Am Weststrand Sylt, 2022, Öl auf Leinwand, 50 cm x 70 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Stefan Dobritz, Gegenlicht am Sylter Weststrand, 2023, Öl auf Leinwand, 70 cm x 140 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
Ferne Heimat, Helmut Helmes, Sonnenfeld, 2023, Öl auf Leinwand, 100 cm x 170 cm, Preis auf Anfrage, Galerie Cyprian Brenner
BESCHREIBUNG DER WERKE ZUM THEMA FERNE HEIMAT
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Peter Witt geht pastoser vor und fängt durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur ein, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht als
roter Faden das vielfältige Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’. In den Werken von Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und Fauna dieses artenreichen Biotops. Seine Werke bieten sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis.
VERNISSAGEREDE FERNE HEIMAT
Vernissagerede 22. Juni 2024, 19 Uhr zur Ausstellungseröffnung im Rahmen der Langen Kunstnacht Augsburg mit Werken der nord-deutschen Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
ich freue mich sehr, dass ich Ihnen nun eine Einführung in unsere Ausstellung „Ferne Heimat“, die wir heute Abend im Rahmen der Langen Kunstnacht eröffnen, geben darf. Kuratiert und zusammengestellt haben wir die hier gezeigten Kunstwerke unter dem Motto „Reiselust“, welches auch das Motto der diesjährigen Kunstnacht ist. Der #hinundweg wurde dazu vom Kulturamt Augsburg ins Leben gerufen. Hin und weg waren wir auch beim Anblick der Werke der drei Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt, die uns visuell auf eine Reise in den idyllischen Norden Deutschlands schicken. Denn eines verbindet die drei Künstler neben ihrer Leidenschaft für die Malerei: Die Liebe zur Heimat, zur Nord- und Ostsee. Genießen Sie mit uns die unendliche Weite der Dünen und Heiden sowie die einmalige Natur, geprägt von Ebbe und Flut, so fern und doch so nah, eingefangen in großartigen Kunstwerken.
Natur und Landschaft sollen hierbei aber nicht nur im Kontext von Ästhetik und unserer oftmals verklärten, idealisierten Vorstellung betrachtet werden.
Mitunter durch den Einfluss des berühmten Romantikers Caspar David Friedrich, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr die Kunstwelt feiert, und geprägt von einer langen Tradition der Landschaftsmalerei, entstanden die hier gezeigten Werke und repräsentieren eine tief in uns verankerte und ursprüngliche Sehnsucht in einem modernen und zeitgenössischen Kontext: Das Bewahren und Einfangen unserer zauberhaften und atmosphärischen, ja vor allem schützenswerten, Natur – entgegen aller Entzauberung durch Industrialisierung, Globalisierung und Klimawandel. Doch im Gegensatz zu den Romantikern, deren Werke sich mit ihrer Betonung des Gefühls, des Träumerischen und Subjektiven, in oftmals religiösem Kontext, gegen das damals vorherrschende aufklärerische-naturwissenschaftliche Weltbild wandten, scheinen diese Landschaftsbilder ein mitunter anderes, wenn auch vergleichbares Ziel zu verfolgen. Erleben wir aktuell eine Art Revival der Romantik?
Die Gegebenheiten in der Postmoderne sind zugegebenermaßen andere und die hier gezeigten Werke sind dementsprechend differenzierter zu interpretieren.
Wir leben inzwischen in einer aufgeklärten Welt und auch die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge sind der Menschheit größtenteils bekannt. Im 21. Jahrhundert leben wir in einer zunehmend digitalisierten Welt, die vor neuen Problemen steht. Die Werke der renommierten Künstler Stefan Dobritz, Helmut Helmes und Peter Witt nehmen uns unter dem Motto „Ferne Heimat“ mit auf eine Reise in den hohen Norden Deutschlands, in den Sehnsuchtsort Natur. Auf ihre Aktualität bezogen sind die Werke auch ein Versuch unserer hektischen, urbanen und materiellen Welt zu entfliehen. Einer Welt und deren Bevölkerung, welche mit Kriegen, Krisen, Naturkatastrophen und einer neuen Technologie, der Künstlichen Intelligenz, zunehmend konfrontiert wird. Legen wir also den Fokus auf etwas, das uns von Mutter Natur gegeben wurde, uns Energie und Harmonie vermittelt: menschenleere und zugleich magische Landschaften, die uns Zeit und Raum vergessen lassen.
Die „Ferne Heimat“ der drei Künstler gilt als eine der empfindlichsten, artenreichsten und schützenswertesten Biotope Deutschlands, nicht umsonst wurde das Wattenmeer 2009 als weltweit einzigartig zum UNESCO Weltnaturerbe ernannt. Auch wenn diese Auffassung im historischen Zusammenhang als eine sehr junge Sehweise gilt, betrifft sie doch die dort lebenden und arbeitenden Menschen seit jeher. Die Nord- und Ostsee als Motive haben daher auch eine lange Tradition in der deutschen Landschaftsmalerei, wenn mitunter auch eine kontroverse Vergangenheit zum Beispiel zur Zeit des Nationalsozialismus. Dennoch sind und bleiben sie beliebt und scheinen eine nahezu magische Anziehungskraft auf Künstler und Touristen auszuüben. „Die vielfältigen Reize unseres Landes wissen auch die weit über fünf Millionen Gäste zu schätzen, die sich alljährlich zwischen Nord- und Ostsee erholen.“, so Peter Carstensen, der ehemalige Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein im Jahre 2012. Meiner Recherche nach sind es inzwischen sogar 20 Millionen jährlich. Und obwohl Nordsee und Wattenmeer als etwas real Gegebenes und physisch Erfahrbares existieren, gibt es vielerlei Sichtweise auf diese Region. Ein Fischer hat einen anderen Blick auf die Nord- oder Ostsee als ein Tourist, ein Naturschützer oder ein Kind. Die Wahrnehmung und die Darstellung unterliegen einer subjektiven Vieldeutigkeit, die unter anderem kulturgeschichtliche, ideologische und politische Zusammenhänge sowie durch den individuellen Kontext bedingt ist. Im Folgenden möchte ich Ihnen die drei Künstler und ihre vielfältigen Werke – eine hochkarätige Auswahl norddeutscher Landschaftsmalerei von naturalistisch und impressionistisch bis hin zu gestisch-expressiv – näherbringen.
Stefan Dobritz und Peter Witt arbeiten bereits seit drei Jahrzehnten als Freunde und Kollegen gemeinsam im schönen Norden Deutschlands. Sie gehen regelmäßig zusammen auf die Suche nach stimmungsvollen, träumerischen Motiven, um diese dann mithilfe von Öl und Spachteltechnik möglichst „au plein air“, sprich unter freiem Himmel, auf den Leinwänden, weniger fotorealistisch als vielmehr impressionistisch, auf den Leinwänden wiederzugeben. Denn vorrangig geht es ihnen darum, das Licht zu malen, statt eines Gegenstandes oder einer Landschaft an sich. Besonders die Liebe zum Wasser durchzieht somit als roter Faden das vielfältiges Repertoire Peter Witts und Stefan Dobritz’.
Stefan Dobritz reduziert in seinen Arbeiten die Küstenlandschaften der Nordsee auf Weniges und Wesentliches und arbeitet mithilfe gezielter Darstellung von Licht und Schatten deren innewohnende Schönheit und Ruhe heraus. Die Ostseeküste lädt auch zu wunderbaren Spaziergängen ein und Stefan Dobritz nimm uns dabei mit: „Den Anfang könnte ein weiter Blick vom Hasenberg aus über die sanfte Hügellandschaft mit satt gelb blühenden Rapsfeldern machen, hinweg über Baum- und Buschgruppen, über den grünen Saum der bewaldeten Steilküste hinaus auf das Blau am Horizont, wo an der Hohwachter Bucht Himmel und Meer ineinander übergehen“, so beschreibt der Autor Ulrich Hansen die von Stefan Dobritz gemalte Landschaft „Rapsfelder an der Hohwachter Bucht“. Es ist wohl ein beliebtes Motiv, welches bereits Maler der Spätromantik als auch Expressionisten wie Karl Schmidt Rotluff (1884-1976) auf die Leinwand brachten. Viele uns nun bekannten Plätze und Nord- und Ostsee sind uns bekannt, weil sie durch Brücke-Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Erich Heckel, gemalt wurden. Ihnen ging es vorrangig um die Wiedergabe der intensiven Farbigkeit dieser Pflanzen. „Die Rapsfelder“ von Dobritz gehören in der Ausstellung mitunter zu den farbprächtigsten Arbeiten und löst eine heitere, fast euphorische Stimmung in uns aus.
Peter Witt geht dagegen deutlich pastoser vor und versucht durch den plastischen, schon fast dreidimensionalen Farbauftrag die Lebendigkeit der Natur einzufangen, seien es die Wogen des Meeres oder der Küstenwind, der durch die Dünen weht. Fast die ganze Westküste Sylts wird von Dünenketten begleitet, die der ständige Sandflug vor mehr als 2.000 Jahren aufgebaut hat und sich durch den stetigen Wind verändert. In Peter Witts Arbeiten begegnen wir oftmals Dünen mit angepflanztem Strandhafer, der den Sandflug verlangsamt, und einem Strand, der selbst in der Hochsaison einsam zu sein scheint und uns einen Blick auf das Meer inklusive Brandung und den weiten Horizont mit seinen wandernden Wolken gewährt. Der Blick wird durch die Dünen auf das Meer gelenkt und gleicht einer sich öffnenden Bühne. Das faszinierende: Sylt hat einen der wenigen Strände in Schleswig-Holstein, bei dem die Brandung unablässig in nahezu rechtem Winkel auf die Insel zurollt. Sylt bildet somit einen wehrhaften Wellenbrecher, der das Hinterland vor der rauen Naturgewalt, die in der Nordsee herrscht schützt. Die Wellenbilder, des technisch äußerst versierten Künstlers Witt brillieren mit einer geradezu einmaligen Dynamik und Frische.
In den Werken des in Vechta in Niedersachen lebenden Künstlers Helmut Helmes begegnen wir einer Malerei von starker materieller Präsenz. Der Künstler malt und modelliert mit pastos aufgetragenen Ölfarben reliefartig norddeutsche Landschaften, sowie die prächtige Flora und auch Fauna dieses artenreichen Biotops. Insbesondere die farbigen Blütenköpfe und ihre Blätter der Pflanzen stechen dabei hervor und geben seinen Werken ihre Raffinesse. Neben ihrer Ästhetik und Sinnlichkeit können sie dem Betrachter auch inhaltlich etwas vermitteln, beziehungsweise sprichwörtlich durch die Blume sagen. Blumen stehen für Leben und Vergänglichkeit, sind Liebesbeweis oder repräsentieren Macht und Widerstand in Politik und Gesellschaft. Blumen sind Inspirations- und Kraftquelle für den Menschen und besitzen seit jeher großer Symbolkraft. Zudem sind sie mit ihrer Pracht und Vielfalt an Farben und Formen das häufigste gemalte Motiv in der Kunst. Um Emil Nolde zu zitieren: „…Die Farben der Blumen zogen mich unwiderstehlich an, und fast plötzlich war ich beim Malen…“ Aber die Herangehensweisen und Techniken könnten in der Kunstwelt nicht unterschiedlicher sein. Helmut Helmes abstrakte Pinselstriche und Farbanhäufungen bieten uns sowohl von nahem als auch weitem ein delikates und opulentes Seherlebnis. Die Materialität und der expressive Auftrag der Farbe lassen Bewegung spüren. Fast scheint es, als wolle der Künstler dazu einladen, mit ihm hinter der schrundigen Oberfläche nach etwas suchen, was im Innern unserer zauberhaften Natur verborgen ist. In einigen seiner Werke erleben wir die dargestellte Landschaft aus der Froschperspektive heraus. Wir bekommen so das Gefühl ein kleinerer Bestandteil dieser Welt zu sein, als wir es tatsächlich sind. Es entsteht ein unmittelbarer Dialog. Das Phänomen der Vergrößerung durchzieht das Werk des Künstlers. Verstärkt wird dieser Eindruck durch viele Bildebenen, die teils ineinander verlaufen, teils klar differenzierbar sind. Sehr oft stehen wir der vordersten und vergrößerten Bildebene sehr dicht gegenüber. Wir werden geradezu von der Natur überwältigt. Mitunter vielleicht auch eine Kritik an unsere Gesellschaft, die stets über der Natur stehen möchte. In diesen Werken geben auf jeden Fall die Pflanzen den Ton an und das in unglaublich lebendiger Art und Weise. Beachtung schenkt der Künstler auch den unscheinbareren und kleineren Lebewesen und belebt somit die nahezu in Vergessenheit geratene Tiermalerei als klassischen Gattung der gegenständlichen Malerei wieder. Bei Helmes liegt der Fokus tatsächlich auf dem Tier selbst, der Hintergrund spielt weniger eine Rolle. Auch scheint es so, als wären die Tiere vielmehr aus der Farbe selbst heraus modelliert worden. In seinen Tierbildern erreicht die Pastosität oftmals einen fulminanten Höhepunkt.
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Maximilliane Umlauf, M.A. Kunst- und Kulturgeschichte
KÜNSTLER DER AUSSTELLUNG FERNE HEIMAT
BIBLIOGRAPHIE FERNE HEIMAT
Nina Hinrichs: Wattenmeer und Nordsee in der Kunst, Darstellungen von Nolde bis Beckmann, 2. Auflage, V&R unipress, Göttingen 2019.