GCB Kunstlexikon
GLAS
Gegenstände aus Glas, die über ihre reine Funktionalität hinaus von kunsthandwerklicher oder künstlerischer Bedeutung sind, sowie Bezeichnung für deren Herstellung. Glas kann auf vielfältige Weise verziert werden:
Beim Glasschliff werden in das Glas Facetten, Einkerbungen und Vertiefungen eingearbeitet. Die Arbeitsschritte sind: Markieren des Musters, Rohschliff, Nachbearbeitung, Polieren.Beim Glasschnitt werden die Entwürfe mittels eines rotierenden Rädchens (meist aus Kupfer) als Ornamente, dekorative Bilder oder Schriften eingeschnitten. Dabei unterscheidet man zwischen dem meist benutzten Tiefschnitt, bei welchem der Dekor vertieft ist und dem Hochschnitt, bei dem sich der Dekor vom vertieften Grund abhebt.
Bei der Glasätzung wird meist mit Flusssäure oder einer Lösung von Fluoriden gearbeitet. Durch dieses Verfahren können Unebenheiten im Glas ausgeglichen werden, das Glas erscheint dann als poliert. Um Glas zu verzieren, werden in eine dieses Glas bedeckende Schicht aus Wachs zunächst Dekors eingezeichnet, dann wird der Gegenstand geätzt.Als Sandstrahlblasen bezeichnet man es, wenn feine Sandkörner, Flintsplit oder gemahlenes Eisen mit hoher Geschwindigkeit auf das Glas geblasen werden, um ein Muster mit matter Oberfläche zu erhalten.
Werden Lack- oder Ölfarben auf das Glas aufgetragen, nennt man dies Kaltmalerei.Bei der Emailmalerei werden Emailfarben aufgetragen und anschließend bei relativ niedrigen Temperaturen eingebrannt, d.h. mit dem Untergrund verbunden.
Als Vergolden bezeichnet man einen Vorgang, bei dem Blattgold, Goldfarbe oder Goldstaub aufgetragen wird. Will man jedoch ein dauerhaftes Ergebnis, ist das Einbrennen bei niedriger Temperatur erforderlich. Goldgläser
Glaskunst der Antike
Die ältesten bekannten Glasobjekte sind Perlen und Amulette. Glasgefäße sind nicht vor 1500 v.Chr. nachgewiesen. Handwerker aus Asien haben wahrscheinlich die Glasherstellung nach Ägypten gebracht, wo die ersten Gefäße aus der Zeit von Thutmosis III. (1504-1450 v.Chr.) datieren. Die Glaserzeugung erlebte in Ägypten und Mesopotamien bis etwa 1200 v.Chr. eine erste Blüte. Da die Ägypter die Technik des Glasblasens noch nicht kannten, konnten sie lediglich kleine Gefäße herstellen, die zur Aufbewahrung von Salben und Essenzen dienten. Glasgegenstände galten als ausgesprochene Luxusartikel, da sie in einem schwierigen Verfahren gefertigt werden mussten.
Im 9.Jahrhundert v.Chr. wurden Syrien und Mesopotamien die Zentren der Glaserzeugung, und von dort aus verbreitete sie sich über den gesamten Mittelmeerraum. In der hellenistischen Zeit übernahm wieder Ägypten mit seinen Glashütten in Alexandria eine führende Rolle. Die zukunftweisende Entdeckung der Glasbläserei wurde im 1.Jahrhundert v.Chr. in der phönizischen Küstenstadt Sidon gemacht. Von Alexandria aus gelangte im 1.Jahrhundert n.Chr. die Technik der Glasbearbeitung nach Rom.
Die ersten Techniken
Auch schon vor der Erfindung der Glasmacherpfeife konnte man Gegenstände aus farbigem Glas, ob durchscheinend oder opak, formen und verzieren. Zum einen konnte das Objekt aus einem soliden Glasblock herausgeschnitten werden; zum anderen übernahmen Glasmacher die Verwendung von Formen, wie sie bei Keramik und Metallbearbeitung bereits üblich war. Aus der in eine Form gegossenen Glasmasse konnten Intarsien, Statuen und oben offene Gefäße wie Krüge und Schalen gefertigt werden.
Des Weiteren konnten vorgeformte Glasstäbe wieder erhitzt und in einer Form miteinander verschmolzen werden, um Bandglas zu erhalten.
Die Mosaiktechnik ermöglichte Muster von großer Komplexität. Dabei wurden verschiedene Glasfäden und -bänder so zu einem Stab verschmolzen, dass sich aus dem Durchschnitt ein Muster ergab. Wenn man den Stab in Scheiben schnitt, konnte man diese in eine Form für ein Gefäß oder eine Schmuckplatte legen und durch Erhitzen fest miteinander verschmelzen.Goldbandgläser zeigten unregelmäßige Streifen verschiedenfarbigen Glases, wobei Blattgold in einen durchsichtigen Streifen eingebettet war.
Die meisten Glaserzeugnisse aus der vorrömischen Zeit wurden mit der Sandkerntechnik gefertigt. Dazu brachte man auf einen Metallstab eine Mischung aus Ton und Dung auf und formte ihn so, wie die inneren Wände des gewünschten Gefäßes beschaffen sein sollten. Dieser so genannte Sandkern wurde in einen Tiegel mit geschmolzenem Glas getaucht oder mit Glasfäden umwunden. Während des gesamten Prozesses erhitzte man das Werkstück und glättete die Oberfläche auf einem flachen Stein. Auffallende Federmuster, wie man sie von ägyptischem Glas der 18. und 19.Dynastie kennt, konnten aufgebracht werden, indem man verschiedenfarbige Glasfäden um das Objekt legte und kämmte. Henkel, Füße und der Hals wurden nachträglich angesetzt. Der letzte Arbeitsgang bestand darin, den Stab zu entfernen und das Kernmaterial herauszukratzen. Die Sandkerntechnik ließ sich nur für kleinere Gefäße, wie Väschen und Behälter für Kosmetika, anwenden. Spätere, ab dem 6.Jahrhundert v.Chr. erzeugte Gegenstände übernahmen die Formen der griechischen Keramik.
Römisches Glas
Das Glasblasen, eine weniger teure und zeitraubende Produktionsmethode, erreichte von Syrien aus Rom und verdrängte allmählich die alten Techniken. Damit war auch ein Geschmackswandel verbunden: Während die früheren Methoden Farbe und Muster hervorhoben, lenkte die Glasbläserei die Aufmerksamkeit auf das dünne, durchsichtige Glas. Zudem kam am Ende des 1.Jahrhunderts das farblose Glas in Mode. Das Glasblasen ermöglichte die Herstellung großer Stückzahlen und machte aus dem Luxusartikel ein alltägliches Material, das für Fensterscheiben, Trinkgefäße und Behälter aller Art verwendet wurde.
Die meisten heute bekannten Glaskunst-Techniken wurden von römischen Handwerkern erfunden. Geblasenes Glas erhielt Gestalt und Muster in Teil- und Ganzformen; die Verwendung solcher Formen ermöglichte auch die Erzeugung von Flaschen in höherer Stückzahl. Manche der römischen Glasobjekte tragen ein aufwendiges Dekor. Häufig sind sie mit religiösen und historischen Szenen bemalt. Die so genannten Zwischengoldgläser sind besonders aus dem spätrömischen Rheinland bekannt. Dabei handelt es sich um zwei ineinander gefügte Gläser: Die Außenseite des inneren Glases ist mit Gold oder Silber belegt, während die Innenseite des Außenglases lackiert ist. In diesen Lack sind Entwürfe einradiert.Die Glasmacher der Antike passten Techniken, die für die Steinbearbeitung entwickelt wurden, ihrem Material an und fertigten durch Schliff, Schnitt und Gravur Zierglas von beachtlicher Qualität. Kameenglas entstand, indem Schichten verschiedenfarbigen Glases verschmolzen und dann so ausgeschnitten wurden, dass kontrastierende Motive reliefartig zurückblieben. Das bekannteste Beispiel für römisches Kameenglas ist die Portlandvase (1.Jahrhundert n.Chr., Britisches Museum, London), auf der die Sage von Peleus und Thetis dargestellt wird. Kunstvolle Effekte entstanden auf den Diatret- oder Netzgläsern, die im frühen 4.Jahrhundert gefertigt wurden. Dabei wurden große Teile der Oberfläche so abgeschliffen, dass ein kunstvolles Netz übrigblieb, das mit dem Gefäß im Innern nur durch dünne Stege verbunden blieb.
Europäisches Glas
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches und im Zuge der Völkerwanderung kam die Glasproduktion als Massenproduktion für den täglichen Gebrauch zum Erliegen. Erst im Mittelalter wurde in Mitteleuropa wieder Glas im nennenswerten Umfang hergestellt.
Glas im Mittelalter
Die Glasmacher in Nordeuropa und Großbritannien stellten unter fränkischem Einfluss Gefäße für den täglichen Gebrauch her. Manche lassen neue, robustere Formen erkennen. Die Ausschmückung beschränkte sich auf einfache, mit einer Form gestanzte Muster, aufgeschmolzene gedrehte Fäden oder Bänder und Ornamente wie aufgelegte Glastropfen. Das meist grüne Glas enthielt als Schmelzmittel anfangs das Soda, das aus der Asche von Meerespflanzen gewonnen und wie in römischer Zeit aus dem Mittelmeerraum importiert worden war. Als jedoch im Spätmittelalter Soda kaum mehr erhältlich war, verwendeten die Glasmacher im Norden Europas die Holzasche aus ihren Öfen als Flussmittel für die Glasschmelze und erzeugten Pottascheglas. Da die Glashütten in den Wäldern, wo es genügend Brennholz gab, errichtet wurden, nannte man dieses Glas auch Waldglas. Auf diese Weise wurde in Europa in kleineren Glashütten bis ins 20.Jahrhundert hinein einfaches Glas erzeugt.
Den Höhepunkt der Glaskunst im Europa des Mittelalters bildeten die Herstellung von Mosaikglas im Mittelmeerraum und die aus farbigen Stücken Glas zusammengesetzten Kirchenfenster im Norden Europas, die so genannte Glasmalerei (siehe Mosaik). Mosaike wurden aus kleinen Glaswürfeln (tesserae) hergestellt. Die tesserae, die aus kompakten Glasstäben geschnitten wurden, fielen manchmal sehr kunstvoll aus, vor allem wenn sie Gold- oder Silberblei-Intarsien aufwiesen. Über die Herstellung von Mosaikglas vor dem 14.Jahrhundert ist nur wenig bekannt.
Glasfenster in Kirchen werden zwar bereits in Dokumenten des 6.Jahrhunderts erwähnt, die ältesten erhaltenen Fenster stammen jedoch aus dem 11.Jahrhundert. Wahrscheinlich wurde das meiste Fensterglas für die mittelalterlichen Kathedralen von lothringischen und normannischen Glashütten geliefert. Das farbige oder überfangene Glas wurde in Stücke geschnitten, wie es der Entwurf erforderte, und Details wurden, häufig mit braungetöntem Email, aufgemalt. Dann passte man die Teile in Bleistreifen ein und setzte das vorgefertigte Fenster in einen Rahmen aus Eisen. Die Kunst der Glasmalerei verfiel in der Spätrenaissance, erlebte aber im 19.Jahrhundert eine erneute Blüte.
Von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert
Obwohl Glas in Venedig bereits ab dem 10.Jahrhundert erzeugt wurde, datieren die ältesten bekannten venezianischen Gläser aus dem 15.Jahrhundert. Die Glasindustrie, die vor allem auf der Insel Murano angesiedelt war, beherrschte den europäischen Markt bis um 1700. Die größte Leistung Venedigs auf diesem Gebiet besteht in der Entwicklung eines sehr reinen Sodaglases von großer Streckbarkeit, das farblos und transparent war. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Bergkristall nannte man es cristallo.
Die ersten Gegenstände aus cristallo besaßen einfache Formen und waren häufig mit Schmuckmotiven in Emailmalerei verziert. Daneben fand auch farbiges und opakes Glas Verwendung. Im späten 16.Jahrhundert wurden die Formen leichter und zierlicher. In Venedig entwickelte man das Filigranglas, das vielfach nachgeahmt wurde. Mit opaken, weißen Fäden, die in das Glas eingeschlossen und zu komplizierten, feinen Mustern verdreht waren, erzielte man ein Glas, das Ähnlichkeit mit duftiger Spitze hatte. Um chinesisches Porzellan vorzutäuschen, wurden Gefäße aus opakweißem Glas geblasen und mit Emailfarbe bemalt. Sodaglas war besonders geeignet für den Diamantriss, bei dem ein Diamant in einem Halter wie ein Bleistift benützt wurde. In dieser Technik entwickelten die holländischen Kunsthandwerker des 17.Jahrhunderts eine besondere Fertigkeit. Sie stippten (klopften) mit dem Diamanten so auf die Glasoberfläche, dass aus unzähligen Punkten kunstvolle Bilder entstanden.
Glashersteller in ganz Europa versuchten die Produktionsmethoden, Materialien und Dekore der Venezianer zu kopieren. Die Kenntnis davon verbreitete sich mit den Gläsern selbst, wie auch durch Antonio Neris Buch L’arte vetraria (1612) und die venezianischen Glasbläser. Ihnen war zwar verboten, aus Venedig abzuwandern und die Geheimnisse ihrer Kunst zu verraten, aber einige Glasmacher aus Murano verließen Italien und gründeten Glashütten in anderen Teilen Europas. In vielen Ländern wurde eine eigene façon de Venise ausgebildet. Der Einfluss Venedigs schwächte sich schließlich im 17.Jahrhundert ab, als in Deutschland und England neue Glasrezepturen entwickelt wurden.
Das deutsche Pottascheglas war dicker und härter als das cristallo und damit besser fürs Schnittdekor geeignet. Caspar Lehmann, der in der Werkstatt Kaiser RudolfsII. in Prag arbeitete, hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Glasschnittes im frühen 16.Jahrhundert. Glasschneider und Graveure in Nürnberg und Potsdam waren für ihre geschickt ausgeführten Entwürfe im Barockstil berühmt. Zur gleichen Zeit setzte man jedoch in den deutschen Glashütten die Tradition der Email- und Kaltmalerei fort.
Von weit reichender Bedeutung für die Glaskunst war die Erfindung des Bleioxidglases (um 1676) durch George Ravenscroft in England. Es war formbarer, glänzender und haltbarer als das zerbrechliche cristallo und galt im 18.Jahrhundert als das beste Glas. Englische Tafelgläser beherrschten nun den Markt in Europa und Übersee und wurden zum Vorbild für die Glasproduktion auf dem Kontinent. Als Neuerung brachte England in der Mitte des 18.Jahrhunderts Weingläser hervor, in deren Schäften Spiralen aus Luft oder opakem Email, die twists, eingeschlossen waren. Eines der hervorragendsten Erzeugnisse dieser Periode war der englische Kronleuchter mit seinen geschliffenen Glastropfen. Welche Möglichkeiten die Verwendung von Bleikristall, das sich ja besonders für den Schnitt eignet, den Künstlern bot, wird in Glaserzeugnissen der klassizistischen Epoche sichtbar.
Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert
Die Stilentwicklung der Glaskunst des 19.Jahrhunderts ist vom enormen Fortschritt der Glastechnologie und der Wiederentdeckung alter Techniken gekennzeichnet.Mechanisches Pressen, das in den USA erfunden wurde, war eine billige und schnelle Produktionsmethode, die die Bedeutung des Glases im Haus und in der Industrie erheblich steigerte. Vor 1850 erhielten die Gläser durch das Pressen komplizierte, spitzenähnliche Muster, die den ursprünglich unerwünschten milchigen Charakter des Glases, der durch den Kontakt mit der kälteren Pressform verursacht wurde, überdecken sollte. Schlichtere Dekors, die seit den vierziger Jahren des 19.Jahrhunderts beliebt und als Pressmusterglas bekannt waren, waren in großer Vielfalt auf dem Markt. Gleichzeitig litt die Nachfrage nach teurerem geschnittenen und geschliffenen Glas unter dem Wettbewerb mit dem Pressglas. Erst um 1880 erreichte es erneut eine gewisse Verbreitung, als ausgefeilte Muster entwickelt wurden, in denen die Lichtbrechungsfähigkeit von hochwertigem Glas voll zur Geltung kommen konnte.Seit dem späten 18.Jahrhundert wurden eine Reihe von römischen Glaserzeugungstechniken wiederbelebt und dem klassizistischen Stil angepasst. Glasmanufakturen auf dem Kontinent entwickelten die römische Technik zur Herstellung von Zwischengoldglas weiter. Kameenähnliche Wirkungen wurden mit eingeschmolzenen Sulfiden – häufig in Form von Porträts – erzielt, und Kameengravur und -schnitt wurden seit der Mitte des Jahrhunderts angewandt. Die bedeutendsten Arbeiten stammen von der Firma Thomas Webb and Sons (gegründet 1837), einer Glashütte in Stourbridge in England. Briefbeschwerer, die seit etwa 1845 in Mode waren, zeigten häufig ein Millefiorimuster (tausend Blumen), das an antikes Mosaikglas erinnert. Die im späten 19.Jahrhundert beliebte Technik, Glas hellglänzend zu polieren und mit gravierten Ornamenten zu schmücken, entstand in Anlehnung an die Kristallglasarbeiten der Renaissance.
Böhmen war weiterhin führend bei der Herstellung von Gläsern mit Schnitt-Dekors. Der Fortschritt in der Chemie ermöglichte neue Arten von opakem, farbigem Glas wie das Lithyalin, entstehen, die Halbedelsteinen ähnelten. Gefäße wurden mit transparenten Glasuren und Lasuren überzogen. Parallel zu diesen Neuerungen kam es zu einer Renaissance der Glasmalerei.
Glaskünstler entwickelten ab 1880 als Reaktion auf die Massenproduktion neue Stile für handwerklich bearbeitetes Glas. Zwischen 1890 und 1910 wurde in Deutschland und Frankreich Glaskunst im Jugendstil hergestellt. Louis Comfort Tiffany in den USA sowie Emile Gallé und die Firma Daum Frères (gegründet 1889) in Nancy waren die führenden Vertreter.
Nach dem 1.Weltkrieg entstand ein neues Interesse an Struktur und formalisierten Dekoren, wie an den Entwürfen René Laliques und Maurice Marinots zu erkennen ist. In den dreißiger Jahren begannen einige skandinavische (Oreforrs) und amerikanische Firmen, klares, farbloses, häufig auch geschliffenes Bleiglas auf den Markt zu bringen.
Islamisches und asiatisches Glas
Islamisches Glas
Die älteren islamischen Traditionen des geschnittenen Glases, wie sie zur Zeit der Sassaniden ab dem 2.Jahrhundert n.Chr. entwickelt worden waren, wurden von Kunsthandwerkern fortgeführt, die Gefäße, häufig mit Tiermotiven, in Hochschnitt verzierten. Sie stellten auch qualitativ hochwertiges, farbloses Glas mit feinen, mit Rädchen geschnittenen Mustern her. Die Einführung der eingebrannten Emailfarben und das Vergolden erweiterte die Palette der Dekorationen; Kunsthandwerker aus Aleppo und Damaskus waren für diese Technik berühmt. Aus Ägypten kam die Lüstermalerei, mit der schimmernde, metallische Effekte in Braun, Gelb und Rot auf Keramik und Glas aufgebracht wurden. Lampen für Moscheen, Schalen, Becher und Flaschen erhielten für den Islam typische geometrische Muster. Formen und Dekors beeinflussten später auch europäische Glaswaren, besonders in Venedig und Spanien.
Indisches Glas
In Indien wurde Glas bereits im 5.Jahrhundert n.Chr. hergestellt, aber eine nennenswerte Glasproduktion entstand erst in der Mogulzeit im 16.Jahrhundert. Zu den bevorzugt hergestellten Gegenständen gehörten Gestelle für Wasserpfeifen, Spritzflaschen und Schüsseln, die oft vergoldet oder emailliert und mit floralen Mustern geschmückt waren. Im 18.Jahrhundert verkaufte die britische East India Company große Mengen englischen Glases nach Indien, das von indischen Kunsthandwerkern geschliffen wurde.
Ostasiatisches Glas
Chinesisches Glas, das mit einem Augenmuster verziert war, wurde bei Ausgrabungen der Tschou-Dynastie (11. Jahrhundert bis 256 v. Chr.) entdeckt. Frühe Glasobjekte, die häufig aus eingeschmolzenem Importglas entstanden, waren klein und wurden wie Edelsteine geschnitten. Typisch für chinesisches Glas ist seine Behandlung als Imitat von Halbedelsteinen, aus dem man Schmuck und später auch Riechfläschchen herstellte. Aus der Zeit vor der Glashütte am Kaiserlichen Palast von Peking (1680) sind nur wenige Glasgefäße bekannt. Unter dem Einfluss der Jesuiten am Hof von Peking wurden geblasene Gefäße in verschiedenen westeuropäischen Stilrichtungen hergestellt. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Glaswaren jedoch vorwiegend im chinesischen Stil gefertigt, mit kräftigen Farben und geschnittenen oder emaillierten Dekoren. Die Chinesen erwiesen sich auch als Meister des Kameenschnittes. Charakteristisch für ihre Glasgefäße sind die schlichten, vom Porzellan beeinflussten Formen, die dicken, oft mehrfach überfangenen Wände und der wächserne Glanz.
Von einigen Gefäßen, die in Japan gefunden wurden, buddhistischen Reliquienfläschchen und Bestattungsurnen, nimmt man an, dass sie aus der Asuka- und Narazeit (593-794) stammen. Die Glasherstellung kam anscheinend im 13. Jahrhundert ganz zum Erliegen und wurde erst gegen 1750 wieder belebt.
GLAS
Gegenstände aus Glas, die über ihre reine Funktionalität hinaus von kunsthandwerklicher oder künstlerischer Bedeutung sind, sowie Bezeichnung für deren Herstellung. Glas kann auf vielfältige Weise verziert werden:
Beim Glasschliff werden in das Glas Facetten, Einkerbungen und Vertiefungen eingearbeitet. Die Arbeitsschritte sind: Markieren des Musters, Rohschliff, Nachbearbeitung, Polieren.Beim Glasschnitt werden die Entwürfe mittels eines rotierenden Rädchens (meist aus Kupfer) als Ornamente, dekorative Bilder oder Schriften eingeschnitten. Dabei unterscheidet man zwischen dem meist benutzten Tiefschnitt, bei welchem der Dekor vertieft ist und dem Hochschnitt, bei dem sich der Dekor vom vertieften Grund abhebt.
Bei der Glasätzung wird meist mit Flusssäure oder einer Lösung von Fluoriden gearbeitet. Durch dieses Verfahren können Unebenheiten im Glas ausgeglichen werden, das Glas erscheint dann als poliert. Um Glas zu verzieren, werden in eine dieses Glas bedeckende Schicht aus Wachs zunächst Dekors eingezeichnet, dann wird der Gegenstand geätzt.Als Sandstrahlblasen bezeichnet man es, wenn feine Sandkörner, Flintsplit oder gemahlenes Eisen mit hoher Geschwindigkeit auf das Glas geblasen werden, um ein Muster mit matter Oberfläche zu erhalten.
Werden Lack- oder Ölfarben auf das Glas aufgetragen, nennt man dies Kaltmalerei.Bei der Emailmalerei werden Emailfarben aufgetragen und anschließend bei relativ niedrigen Temperaturen eingebrannt, d.h. mit dem Untergrund verbunden.
Als Vergolden bezeichnet man einen Vorgang, bei dem Blattgold, Goldfarbe oder Goldstaub aufgetragen wird. Will man jedoch ein dauerhaftes Ergebnis, ist das Einbrennen bei niedriger Temperatur erforderlich. Goldgläser
Glaskunst der Antike
Die ältesten bekannten Glasobjekte sind Perlen und Amulette. Glasgefäße sind nicht vor 1500 v.Chr. nachgewiesen. Handwerker aus Asien haben wahrscheinlich die Glasherstellung nach Ägypten gebracht, wo die ersten Gefäße aus der Zeit von Thutmosis III. (1504-1450 v.Chr.) datieren. Die Glaserzeugung erlebte in Ägypten und Mesopotamien bis etwa 1200 v.Chr. eine erste Blüte. Da die Ägypter die Technik des Glasblasens noch nicht kannten, konnten sie lediglich kleine Gefäße herstellen, die zur Aufbewahrung von Salben und Essenzen dienten. Glasgegenstände galten als ausgesprochene Luxusartikel, da sie in einem schwierigen Verfahren gefertigt werden mussten.
Im 9.Jahrhundert v.Chr. wurden Syrien und Mesopotamien die Zentren der Glaserzeugung, und von dort aus verbreitete sie sich über den gesamten Mittelmeerraum. In der hellenistischen Zeit übernahm wieder Ägypten mit seinen Glashütten in Alexandria eine führende Rolle. Die zukunftweisende Entdeckung der Glasbläserei wurde im 1.Jahrhundert v.Chr. in der phönizischen Küstenstadt Sidon gemacht. Von Alexandria aus gelangte im 1.Jahrhundert n.Chr. die Technik der Glasbearbeitung nach Rom.
Die ersten Techniken
Auch schon vor der Erfindung der Glasmacherpfeife konnte man Gegenstände aus farbigem Glas, ob durchscheinend oder opak, formen und verzieren. Zum einen konnte das Objekt aus einem soliden Glasblock herausgeschnitten werden; zum anderen übernahmen Glasmacher die Verwendung von Formen, wie sie bei Keramik und Metallbearbeitung bereits üblich war. Aus der in eine Form gegossenen Glasmasse konnten Intarsien, Statuen und oben offene Gefäße wie Krüge und Schalen gefertigt werden.
Des Weiteren konnten vorgeformte Glasstäbe wieder erhitzt und in einer Form miteinander verschmolzen werden, um Bandglas zu erhalten.
Die Mosaiktechnik ermöglichte Muster von großer Komplexität. Dabei wurden verschiedene Glasfäden und -bänder so zu einem Stab verschmolzen, dass sich aus dem Durchschnitt ein Muster ergab. Wenn man den Stab in Scheiben schnitt, konnte man diese in eine Form für ein Gefäß oder eine Schmuckplatte legen und durch Erhitzen fest miteinander verschmelzen.Goldbandgläser zeigten unregelmäßige Streifen verschiedenfarbigen Glases, wobei Blattgold in einen durchsichtigen Streifen eingebettet war.
Die meisten Glaserzeugnisse aus der vorrömischen Zeit wurden mit der Sandkerntechnik gefertigt. Dazu brachte man auf einen Metallstab eine Mischung aus Ton und Dung auf und formte ihn so, wie die inneren Wände des gewünschten Gefäßes beschaffen sein sollten. Dieser so genannte Sandkern wurde in einen Tiegel mit geschmolzenem Glas getaucht oder mit Glasfäden umwunden. Während des gesamten Prozesses erhitzte man das Werkstück und glättete die Oberfläche auf einem flachen Stein. Auffallende Federmuster, wie man sie von ägyptischem Glas der 18. und 19.Dynastie kennt, konnten aufgebracht werden, indem man verschiedenfarbige Glasfäden um das Objekt legte und kämmte. Henkel, Füße und der Hals wurden nachträglich angesetzt. Der letzte Arbeitsgang bestand darin, den Stab zu entfernen und das Kernmaterial herauszukratzen. Die Sandkerntechnik ließ sich nur für kleinere Gefäße, wie Väschen und Behälter für Kosmetika, anwenden. Spätere, ab dem 6.Jahrhundert v.Chr. erzeugte Gegenstände übernahmen die Formen der griechischen Keramik.
Römisches Glas
Das Glasblasen, eine weniger teure und zeitraubende Produktionsmethode, erreichte von Syrien aus Rom und verdrängte allmählich die alten Techniken. Damit war auch ein Geschmackswandel verbunden: Während die früheren Methoden Farbe und Muster hervorhoben, lenkte die Glasbläserei die Aufmerksamkeit auf das dünne, durchsichtige Glas. Zudem kam am Ende des 1.Jahrhunderts das farblose Glas in Mode. Das Glasblasen ermöglichte die Herstellung großer Stückzahlen und machte aus dem Luxusartikel ein alltägliches Material, das für Fensterscheiben, Trinkgefäße und Behälter aller Art verwendet wurde.
Die meisten heute bekannten Glaskunst-Techniken wurden von römischen Handwerkern erfunden. Geblasenes Glas erhielt Gestalt und Muster in Teil- und Ganzformen; die Verwendung solcher Formen ermöglichte auch die Erzeugung von Flaschen in höherer Stückzahl. Manche der römischen Glasobjekte tragen ein aufwendiges Dekor. Häufig sind sie mit religiösen und historischen Szenen bemalt. Die so genannten Zwischengoldgläser sind besonders aus dem spätrömischen Rheinland bekannt. Dabei handelt es sich um zwei ineinander gefügte Gläser: Die Außenseite des inneren Glases ist mit Gold oder Silber belegt, während die Innenseite des Außenglases lackiert ist. In diesen Lack sind Entwürfe einradiert.Die Glasmacher der Antike passten Techniken, die für die Steinbearbeitung entwickelt wurden, ihrem Material an und fertigten durch Schliff, Schnitt und Gravur Zierglas von beachtlicher Qualität. Kameenglas entstand, indem Schichten verschiedenfarbigen Glases verschmolzen und dann so ausgeschnitten wurden, dass kontrastierende Motive reliefartig zurückblieben. Das bekannteste Beispiel für römisches Kameenglas ist die Portlandvase (1.Jahrhundert n.Chr., Britisches Museum, London), auf der die Sage von Peleus und Thetis dargestellt wird. Kunstvolle Effekte entstanden auf den Diatret- oder Netzgläsern, die im frühen 4.Jahrhundert gefertigt wurden. Dabei wurden große Teile der Oberfläche so abgeschliffen, dass ein kunstvolles Netz übrigblieb, das mit dem Gefäß im Innern nur durch dünne Stege verbunden blieb.
Europäisches Glas
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches und im Zuge der Völkerwanderung kam die Glasproduktion als Massenproduktion für den täglichen Gebrauch zum Erliegen. Erst im Mittelalter wurde in Mitteleuropa wieder Glas im nennenswerten Umfang hergestellt.
Glas im Mittelalter
Die Glasmacher in Nordeuropa und Großbritannien stellten unter fränkischem Einfluss Gefäße für den täglichen Gebrauch her. Manche lassen neue, robustere Formen erkennen. Die Ausschmückung beschränkte sich auf einfache, mit einer Form gestanzte Muster, aufgeschmolzene gedrehte Fäden oder Bänder und Ornamente wie aufgelegte Glastropfen. Das meist grüne Glas enthielt als Schmelzmittel anfangs das Soda, das aus der Asche von Meerespflanzen gewonnen und wie in römischer Zeit aus dem Mittelmeerraum importiert worden war. Als jedoch im Spätmittelalter Soda kaum mehr erhältlich war, verwendeten die Glasmacher im Norden Europas die Holzasche aus ihren Öfen als Flussmittel für die Glasschmelze und erzeugten Pottascheglas. Da die Glashütten in den Wäldern, wo es genügend Brennholz gab, errichtet wurden, nannte man dieses Glas auch Waldglas. Auf diese Weise wurde in Europa in kleineren Glashütten bis ins 20.Jahrhundert hinein einfaches Glas erzeugt.
Den Höhepunkt der Glaskunst im Europa des Mittelalters bildeten die Herstellung von Mosaikglas im Mittelmeerraum und die aus farbigen Stücken Glas zusammengesetzten Kirchenfenster im Norden Europas, die so genannte Glasmalerei (siehe Mosaik). Mosaike wurden aus kleinen Glaswürfeln (tesserae) hergestellt. Die tesserae, die aus kompakten Glasstäben geschnitten wurden, fielen manchmal sehr kunstvoll aus, vor allem wenn sie Gold- oder Silberblei-Intarsien aufwiesen. Über die Herstellung von Mosaikglas vor dem 14.Jahrhundert ist nur wenig bekannt.
Glasfenster in Kirchen werden zwar bereits in Dokumenten des 6.Jahrhunderts erwähnt, die ältesten erhaltenen Fenster stammen jedoch aus dem 11.Jahrhundert. Wahrscheinlich wurde das meiste Fensterglas für die mittelalterlichen Kathedralen von lothringischen und normannischen Glashütten geliefert. Das farbige oder überfangene Glas wurde in Stücke geschnitten, wie es der Entwurf erforderte, und Details wurden, häufig mit braungetöntem Email, aufgemalt. Dann passte man die Teile in Bleistreifen ein und setzte das vorgefertigte Fenster in einen Rahmen aus Eisen. Die Kunst der Glasmalerei verfiel in der Spätrenaissance, erlebte aber im 19.Jahrhundert eine erneute Blüte.
Von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert
Obwohl Glas in Venedig bereits ab dem 10.Jahrhundert erzeugt wurde, datieren die ältesten bekannten venezianischen Gläser aus dem 15.Jahrhundert. Die Glasindustrie, die vor allem auf der Insel Murano angesiedelt war, beherrschte den europäischen Markt bis um 1700. Die größte Leistung Venedigs auf diesem Gebiet besteht in der Entwicklung eines sehr reinen Sodaglases von großer Streckbarkeit, das farblos und transparent war. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Bergkristall nannte man es cristallo.
Die ersten Gegenstände aus cristallo besaßen einfache Formen und waren häufig mit Schmuckmotiven in Emailmalerei verziert. Daneben fand auch farbiges und opakes Glas Verwendung. Im späten 16.Jahrhundert wurden die Formen leichter und zierlicher. In Venedig entwickelte man das Filigranglas, das vielfach nachgeahmt wurde. Mit opaken, weißen Fäden, die in das Glas eingeschlossen und zu komplizierten, feinen Mustern verdreht waren, erzielte man ein Glas, das Ähnlichkeit mit duftiger Spitze hatte. Um chinesisches Porzellan vorzutäuschen, wurden Gefäße aus opakweißem Glas geblasen und mit Emailfarbe bemalt. Sodaglas war besonders geeignet für den Diamantriss, bei dem ein Diamant in einem Halter wie ein Bleistift benützt wurde. In dieser Technik entwickelten die holländischen Kunsthandwerker des 17.Jahrhunderts eine besondere Fertigkeit. Sie stippten (klopften) mit dem Diamanten so auf die Glasoberfläche, dass aus unzähligen Punkten kunstvolle Bilder entstanden.
Glashersteller in ganz Europa versuchten die Produktionsmethoden, Materialien und Dekore der Venezianer zu kopieren. Die Kenntnis davon verbreitete sich mit den Gläsern selbst, wie auch durch Antonio Neris Buch L’arte vetraria (1612) und die venezianischen Glasbläser. Ihnen war zwar verboten, aus Venedig abzuwandern und die Geheimnisse ihrer Kunst zu verraten, aber einige Glasmacher aus Murano verließen Italien und gründeten Glashütten in anderen Teilen Europas. In vielen Ländern wurde eine eigene façon de Venise ausgebildet. Der Einfluss Venedigs schwächte sich schließlich im 17.Jahrhundert ab, als in Deutschland und England neue Glasrezepturen entwickelt wurden.
Das deutsche Pottascheglas war dicker und härter als das cristallo und damit besser fürs Schnittdekor geeignet. Caspar Lehmann, der in der Werkstatt Kaiser RudolfsII. in Prag arbeitete, hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Glasschnittes im frühen 16.Jahrhundert. Glasschneider und Graveure in Nürnberg und Potsdam waren für ihre geschickt ausgeführten Entwürfe im Barockstil berühmt. Zur gleichen Zeit setzte man jedoch in den deutschen Glashütten die Tradition der Email- und Kaltmalerei fort.
Von weit reichender Bedeutung für die Glaskunst war die Erfindung des Bleioxidglases (um 1676) durch George Ravenscroft in England. Es war formbarer, glänzender und haltbarer als das zerbrechliche cristallo und galt im 18.Jahrhundert als das beste Glas. Englische Tafelgläser beherrschten nun den Markt in Europa und Übersee und wurden zum Vorbild für die Glasproduktion auf dem Kontinent. Als Neuerung brachte England in der Mitte des 18.Jahrhunderts Weingläser hervor, in deren Schäften Spiralen aus Luft oder opakem Email, die twists, eingeschlossen waren. Eines der hervorragendsten Erzeugnisse dieser Periode war der englische Kronleuchter mit seinen geschliffenen Glastropfen. Welche Möglichkeiten die Verwendung von Bleikristall, das sich ja besonders für den Schnitt eignet, den Künstlern bot, wird in Glaserzeugnissen der klassizistischen Epoche sichtbar.
Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert
Die Stilentwicklung der Glaskunst des 19.Jahrhunderts ist vom enormen Fortschritt der Glastechnologie und der Wiederentdeckung alter Techniken gekennzeichnet.Mechanisches Pressen, das in den USA erfunden wurde, war eine billige und schnelle Produktionsmethode, die die Bedeutung des Glases im Haus und in der Industrie erheblich steigerte. Vor 1850 erhielten die Gläser durch das Pressen komplizierte, spitzenähnliche Muster, die den ursprünglich unerwünschten milchigen Charakter des Glases, der durch den Kontakt mit der kälteren Pressform verursacht wurde, überdecken sollte. Schlichtere Dekors, die seit den vierziger Jahren des 19.Jahrhunderts beliebt und als Pressmusterglas bekannt waren, waren in großer Vielfalt auf dem Markt. Gleichzeitig litt die Nachfrage nach teurerem geschnittenen und geschliffenen Glas unter dem Wettbewerb mit dem Pressglas. Erst um 1880 erreichte es erneut eine gewisse Verbreitung, als ausgefeilte Muster entwickelt wurden, in denen die Lichtbrechungsfähigkeit von hochwertigem Glas voll zur Geltung kommen konnte.Seit dem späten 18.Jahrhundert wurden eine Reihe von römischen Glaserzeugungstechniken wiederbelebt und dem klassizistischen Stil angepasst. Glasmanufakturen auf dem Kontinent entwickelten die römische Technik zur Herstellung von Zwischengoldglas weiter. Kameenähnliche Wirkungen wurden mit eingeschmolzenen Sulfiden – häufig in Form von Porträts – erzielt, und Kameengravur und -schnitt wurden seit der Mitte des Jahrhunderts angewandt. Die bedeutendsten Arbeiten stammen von der Firma Thomas Webb and Sons (gegründet 1837), einer Glashütte in Stourbridge in England. Briefbeschwerer, die seit etwa 1845 in Mode waren, zeigten häufig ein Millefiorimuster (tausend Blumen), das an antikes Mosaikglas erinnert. Die im späten 19.Jahrhundert beliebte Technik, Glas hellglänzend zu polieren und mit gravierten Ornamenten zu schmücken, entstand in Anlehnung an die Kristallglasarbeiten der Renaissance.
Böhmen war weiterhin führend bei der Herstellung von Gläsern mit Schnitt-Dekors. Der Fortschritt in der Chemie ermöglichte neue Arten von opakem, farbigem Glas wie das Lithyalin, entstehen, die Halbedelsteinen ähnelten. Gefäße wurden mit transparenten Glasuren und Lasuren überzogen. Parallel zu diesen Neuerungen kam es zu einer Renaissance der Glasmalerei.
Glaskünstler entwickelten ab 1880 als Reaktion auf die Massenproduktion neue Stile für handwerklich bearbeitetes Glas. Zwischen 1890 und 1910 wurde in Deutschland und Frankreich Glaskunst im Jugendstil hergestellt. Louis Comfort Tiffany in den USA sowie Emile Gallé und die Firma Daum Frères (gegründet 1889) in Nancy waren die führenden Vertreter.
Nach dem 1.Weltkrieg entstand ein neues Interesse an Struktur und formalisierten Dekoren, wie an den Entwürfen René Laliques und Maurice Marinots zu erkennen ist. In den dreißiger Jahren begannen einige skandinavische (Oreforrs) und amerikanische Firmen, klares, farbloses, häufig auch geschliffenes Bleiglas auf den Markt zu bringen.
Islamisches und asiatisches Glas
Islamisches Glas
Die älteren islamischen Traditionen des geschnittenen Glases, wie sie zur Zeit der Sassaniden ab dem 2.Jahrhundert n.Chr. entwickelt worden waren, wurden von Kunsthandwerkern fortgeführt, die Gefäße, häufig mit Tiermotiven, in Hochschnitt verzierten. Sie stellten auch qualitativ hochwertiges, farbloses Glas mit feinen, mit Rädchen geschnittenen Mustern her. Die Einführung der eingebrannten Emailfarben und das Vergolden erweiterte die Palette der Dekorationen; Kunsthandwerker aus Aleppo und Damaskus waren für diese Technik berühmt. Aus Ägypten kam die Lüstermalerei, mit der schimmernde, metallische Effekte in Braun, Gelb und Rot auf Keramik und Glas aufgebracht wurden. Lampen für Moscheen, Schalen, Becher und Flaschen erhielten für den Islam typische geometrische Muster. Formen und Dekors beeinflussten später auch europäische Glaswaren, besonders in Venedig und Spanien.
Indisches Glas
In Indien wurde Glas bereits im 5.Jahrhundert n.Chr. hergestellt, aber eine nennenswerte Glasproduktion entstand erst in der Mogulzeit im 16.Jahrhundert. Zu den bevorzugt hergestellten Gegenständen gehörten Gestelle für Wasserpfeifen, Spritzflaschen und Schüsseln, die oft vergoldet oder emailliert und mit floralen Mustern geschmückt waren. Im 18.Jahrhundert verkaufte die britische East India Company große Mengen englischen Glases nach Indien, das von indischen Kunsthandwerkern geschliffen wurde.
Ostasiatisches Glas
Chinesisches Glas, das mit einem Augenmuster verziert war, wurde bei Ausgrabungen der Tschou-Dynastie (11. Jahrhundert bis 256 v. Chr.) entdeckt. Frühe Glasobjekte, die häufig aus eingeschmolzenem Importglas entstanden, waren klein und wurden wie Edelsteine geschnitten. Typisch für chinesisches Glas ist seine Behandlung als Imitat von Halbedelsteinen, aus dem man Schmuck und später auch Riechfläschchen herstellte. Aus der Zeit vor der Glashütte am Kaiserlichen Palast von Peking (1680) sind nur wenige Glasgefäße bekannt. Unter dem Einfluss der Jesuiten am Hof von Peking wurden geblasene Gefäße in verschiedenen westeuropäischen Stilrichtungen hergestellt. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Glaswaren jedoch vorwiegend im chinesischen Stil gefertigt, mit kräftigen Farben und geschnittenen oder emaillierten Dekoren. Die Chinesen erwiesen sich auch als Meister des Kameenschnittes. Charakteristisch für ihre Glasgefäße sind die schlichten, vom Porzellan beeinflussten Formen, die dicken, oft mehrfach überfangenen Wände und der wächserne Glanz.
Von einigen Gefäßen, die in Japan gefunden wurden, buddhistischen Reliquienfläschchen und Bestattungsurnen, nimmt man an, dass sie aus der Asuka- und Narazeit (593-794) stammen. Die Glasherstellung kam anscheinend im 13. Jahrhundert ganz zum Erliegen und wurde erst gegen 1750 wieder belebt.
GLAS
Gegenstände aus Glas, die über ihre reine Funktionalität hinaus von kunsthandwerklicher oder künstlerischer Bedeutung sind, sowie Bezeichnung für deren Herstellung. Glas kann auf vielfältige Weise verziert werden:
Beim Glasschliff werden in das Glas Facetten, Einkerbungen und Vertiefungen eingearbeitet. Die Arbeitsschritte sind: Markieren des Musters, Rohschliff, Nachbearbeitung, Polieren.Beim Glasschnitt werden die Entwürfe mittels eines rotierenden Rädchens (meist aus Kupfer) als Ornamente, dekorative Bilder oder Schriften eingeschnitten. Dabei unterscheidet man zwischen dem meist benutzten Tiefschnitt, bei welchem der Dekor vertieft ist und dem Hochschnitt, bei dem sich der Dekor vom vertieften Grund abhebt.
Bei der Glasätzung wird meist mit Flusssäure oder einer Lösung von Fluoriden gearbeitet. Durch dieses Verfahren können Unebenheiten im Glas ausgeglichen werden, das Glas erscheint dann als poliert. Um Glas zu verzieren, werden in eine dieses Glas bedeckende Schicht aus Wachs zunächst Dekors eingezeichnet, dann wird der Gegenstand geätzt.Als Sandstrahlblasen bezeichnet man es, wenn feine Sandkörner, Flintsplit oder gemahlenes Eisen mit hoher Geschwindigkeit auf das Glas geblasen werden, um ein Muster mit matter Oberfläche zu erhalten.
Werden Lack- oder Ölfarben auf das Glas aufgetragen, nennt man dies Kaltmalerei.Bei der Emailmalerei werden Emailfarben aufgetragen und anschließend bei relativ niedrigen Temperaturen eingebrannt, d.h. mit dem Untergrund verbunden.
Als Vergolden bezeichnet man einen Vorgang, bei dem Blattgold, Goldfarbe oder Goldstaub aufgetragen wird. Will man jedoch ein dauerhaftes Ergebnis, ist das Einbrennen bei niedriger Temperatur erforderlich. Goldgläser
Glaskunst der Antike
Die ältesten bekannten Glasobjekte sind Perlen und Amulette. Glasgefäße sind nicht vor 1500 v.Chr. nachgewiesen. Handwerker aus Asien haben wahrscheinlich die Glasherstellung nach Ägypten gebracht, wo die ersten Gefäße aus der Zeit von Thutmosis III. (1504-1450 v.Chr.) datieren. Die Glaserzeugung erlebte in Ägypten und Mesopotamien bis etwa 1200 v.Chr. eine erste Blüte. Da die Ägypter die Technik des Glasblasens noch nicht kannten, konnten sie lediglich kleine Gefäße herstellen, die zur Aufbewahrung von Salben und Essenzen dienten. Glasgegenstände galten als ausgesprochene Luxusartikel, da sie in einem schwierigen Verfahren gefertigt werden mussten.
Im 9.Jahrhundert v.Chr. wurden Syrien und Mesopotamien die Zentren der Glaserzeugung, und von dort aus verbreitete sie sich über den gesamten Mittelmeerraum. In der hellenistischen Zeit übernahm wieder Ägypten mit seinen Glashütten in Alexandria eine führende Rolle. Die zukunftweisende Entdeckung der Glasbläserei wurde im 1.Jahrhundert v.Chr. in der phönizischen Küstenstadt Sidon gemacht. Von Alexandria aus gelangte im 1.Jahrhundert n.Chr. die Technik der Glasbearbeitung nach Rom.
Die ersten Techniken
Auch schon vor der Erfindung der Glasmacherpfeife konnte man Gegenstände aus farbigem Glas, ob durchscheinend oder opak, formen und verzieren. Zum einen konnte das Objekt aus einem soliden Glasblock herausgeschnitten werden; zum anderen übernahmen Glasmacher die Verwendung von Formen, wie sie bei Keramik und Metallbearbeitung bereits üblich war. Aus der in eine Form gegossenen Glasmasse konnten Intarsien, Statuen und oben offene Gefäße wie Krüge und Schalen gefertigt werden.
Des Weiteren konnten vorgeformte Glasstäbe wieder erhitzt und in einer Form miteinander verschmolzen werden, um Bandglas zu erhalten.
Die Mosaiktechnik ermöglichte Muster von großer Komplexität. Dabei wurden verschiedene Glasfäden und -bänder so zu einem Stab verschmolzen, dass sich aus dem Durchschnitt ein Muster ergab. Wenn man den Stab in Scheiben schnitt, konnte man diese in eine Form für ein Gefäß oder eine Schmuckplatte legen und durch Erhitzen fest miteinander verschmelzen.Goldbandgläser zeigten unregelmäßige Streifen verschiedenfarbigen Glases, wobei Blattgold in einen durchsichtigen Streifen eingebettet war.
Die meisten Glaserzeugnisse aus der vorrömischen Zeit wurden mit der Sandkerntechnik gefertigt. Dazu brachte man auf einen Metallstab eine Mischung aus Ton und Dung auf und formte ihn so, wie die inneren Wände des gewünschten Gefäßes beschaffen sein sollten. Dieser so genannte Sandkern wurde in einen Tiegel mit geschmolzenem Glas getaucht oder mit Glasfäden umwunden. Während des gesamten Prozesses erhitzte man das Werkstück und glättete die Oberfläche auf einem flachen Stein. Auffallende Federmuster, wie man sie von ägyptischem Glas der 18. und 19.Dynastie kennt, konnten aufgebracht werden, indem man verschiedenfarbige Glasfäden um das Objekt legte und kämmte. Henkel, Füße und der Hals wurden nachträglich angesetzt. Der letzte Arbeitsgang bestand darin, den Stab zu entfernen und das Kernmaterial herauszukratzen. Die Sandkerntechnik ließ sich nur für kleinere Gefäße, wie Väschen und Behälter für Kosmetika, anwenden. Spätere, ab dem 6.Jahrhundert v.Chr. erzeugte Gegenstände übernahmen die Formen der griechischen Keramik.
Römisches Glas
Das Glasblasen, eine weniger teure und zeitraubende Produktionsmethode, erreichte von Syrien aus Rom und verdrängte allmählich die alten Techniken. Damit war auch ein Geschmackswandel verbunden: Während die früheren Methoden Farbe und Muster hervorhoben, lenkte die Glasbläserei die Aufmerksamkeit auf das dünne, durchsichtige Glas. Zudem kam am Ende des 1.Jahrhunderts das farblose Glas in Mode. Das Glasblasen ermöglichte die Herstellung großer Stückzahlen und machte aus dem Luxusartikel ein alltägliches Material, das für Fensterscheiben, Trinkgefäße und Behälter aller Art verwendet wurde.
Die meisten heute bekannten Glaskunst-Techniken wurden von römischen Handwerkern erfunden. Geblasenes Glas erhielt Gestalt und Muster in Teil- und Ganzformen; die Verwendung solcher Formen ermöglichte auch die Erzeugung von Flaschen in höherer Stückzahl. Manche der römischen Glasobjekte tragen ein aufwendiges Dekor. Häufig sind sie mit religiösen und historischen Szenen bemalt. Die so genannten Zwischengoldgläser sind besonders aus dem spätrömischen Rheinland bekannt. Dabei handelt es sich um zwei ineinander gefügte Gläser: Die Außenseite des inneren Glases ist mit Gold oder Silber belegt, während die Innenseite des Außenglases lackiert ist. In diesen Lack sind Entwürfe einradiert.Die Glasmacher der Antike passten Techniken, die für die Steinbearbeitung entwickelt wurden, ihrem Material an und fertigten durch Schliff, Schnitt und Gravur Zierglas von beachtlicher Qualität. Kameenglas entstand, indem Schichten verschiedenfarbigen Glases verschmolzen und dann so ausgeschnitten wurden, dass kontrastierende Motive reliefartig zurückblieben. Das bekannteste Beispiel für römisches Kameenglas ist die Portlandvase (1.Jahrhundert n.Chr., Britisches Museum, London), auf der die Sage von Peleus und Thetis dargestellt wird. Kunstvolle Effekte entstanden auf den Diatret- oder Netzgläsern, die im frühen 4.Jahrhundert gefertigt wurden. Dabei wurden große Teile der Oberfläche so abgeschliffen, dass ein kunstvolles Netz übrigblieb, das mit dem Gefäß im Innern nur durch dünne Stege verbunden blieb.
Europäisches Glas
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches und im Zuge der Völkerwanderung kam die Glasproduktion als Massenproduktion für den täglichen Gebrauch zum Erliegen. Erst im Mittelalter wurde in Mitteleuropa wieder Glas im nennenswerten Umfang hergestellt.
Glas im Mittelalter
Die Glasmacher in Nordeuropa und Großbritannien stellten unter fränkischem Einfluss Gefäße für den täglichen Gebrauch her. Manche lassen neue, robustere Formen erkennen. Die Ausschmückung beschränkte sich auf einfache, mit einer Form gestanzte Muster, aufgeschmolzene gedrehte Fäden oder Bänder und Ornamente wie aufgelegte Glastropfen. Das meist grüne Glas enthielt als Schmelzmittel anfangs das Soda, das aus der Asche von Meerespflanzen gewonnen und wie in römischer Zeit aus dem Mittelmeerraum importiert worden war. Als jedoch im Spätmittelalter Soda kaum mehr erhältlich war, verwendeten die Glasmacher im Norden Europas die Holzasche aus ihren Öfen als Flussmittel für die Glasschmelze und erzeugten Pottascheglas. Da die Glashütten in den Wäldern, wo es genügend Brennholz gab, errichtet wurden, nannte man dieses Glas auch Waldglas. Auf diese Weise wurde in Europa in kleineren Glashütten bis ins 20.Jahrhundert hinein einfaches Glas erzeugt.
Den Höhepunkt der Glaskunst im Europa des Mittelalters bildeten die Herstellung von Mosaikglas im Mittelmeerraum und die aus farbigen Stücken Glas zusammengesetzten Kirchenfenster im Norden Europas, die so genannte Glasmalerei (siehe Mosaik). Mosaike wurden aus kleinen Glaswürfeln (tesserae) hergestellt. Die tesserae, die aus kompakten Glasstäben geschnitten wurden, fielen manchmal sehr kunstvoll aus, vor allem wenn sie Gold- oder Silberblei-Intarsien aufwiesen. Über die Herstellung von Mosaikglas vor dem 14.Jahrhundert ist nur wenig bekannt.
Glasfenster in Kirchen werden zwar bereits in Dokumenten des 6.Jahrhunderts erwähnt, die ältesten erhaltenen Fenster stammen jedoch aus dem 11.Jahrhundert. Wahrscheinlich wurde das meiste Fensterglas für die mittelalterlichen Kathedralen von lothringischen und normannischen Glashütten geliefert. Das farbige oder überfangene Glas wurde in Stücke geschnitten, wie es der Entwurf erforderte, und Details wurden, häufig mit braungetöntem Email, aufgemalt. Dann passte man die Teile in Bleistreifen ein und setzte das vorgefertigte Fenster in einen Rahmen aus Eisen. Die Kunst der Glasmalerei verfiel in der Spätrenaissance, erlebte aber im 19.Jahrhundert eine erneute Blüte.
Von der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert
Obwohl Glas in Venedig bereits ab dem 10.Jahrhundert erzeugt wurde, datieren die ältesten bekannten venezianischen Gläser aus dem 15.Jahrhundert. Die Glasindustrie, die vor allem auf der Insel Murano angesiedelt war, beherrschte den europäischen Markt bis um 1700. Die größte Leistung Venedigs auf diesem Gebiet besteht in der Entwicklung eines sehr reinen Sodaglases von großer Streckbarkeit, das farblos und transparent war. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Bergkristall nannte man es cristallo.
Die ersten Gegenstände aus cristallo besaßen einfache Formen und waren häufig mit Schmuckmotiven in Emailmalerei verziert. Daneben fand auch farbiges und opakes Glas Verwendung. Im späten 16.Jahrhundert wurden die Formen leichter und zierlicher. In Venedig entwickelte man das Filigranglas, das vielfach nachgeahmt wurde. Mit opaken, weißen Fäden, die in das Glas eingeschlossen und zu komplizierten, feinen Mustern verdreht waren, erzielte man ein Glas, das Ähnlichkeit mit duftiger Spitze hatte. Um chinesisches Porzellan vorzutäuschen, wurden Gefäße aus opakweißem Glas geblasen und mit Emailfarbe bemalt. Sodaglas war besonders geeignet für den Diamantriss, bei dem ein Diamant in einem Halter wie ein Bleistift benützt wurde. In dieser Technik entwickelten die holländischen Kunsthandwerker des 17.Jahrhunderts eine besondere Fertigkeit. Sie stippten (klopften) mit dem Diamanten so auf die Glasoberfläche, dass aus unzähligen Punkten kunstvolle Bilder entstanden.
Glashersteller in ganz Europa versuchten die Produktionsmethoden, Materialien und Dekore der Venezianer zu kopieren. Die Kenntnis davon verbreitete sich mit den Gläsern selbst, wie auch durch Antonio Neris Buch L’arte vetraria (1612) und die venezianischen Glasbläser. Ihnen war zwar verboten, aus Venedig abzuwandern und die Geheimnisse ihrer Kunst zu verraten, aber einige Glasmacher aus Murano verließen Italien und gründeten Glashütten in anderen Teilen Europas. In vielen Ländern wurde eine eigene façon de Venise ausgebildet. Der Einfluss Venedigs schwächte sich schließlich im 17.Jahrhundert ab, als in Deutschland und England neue Glasrezepturen entwickelt wurden.
Das deutsche Pottascheglas war dicker und härter als das cristallo und damit besser fürs Schnittdekor geeignet. Caspar Lehmann, der in der Werkstatt Kaiser RudolfsII. in Prag arbeitete, hatte maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Glasschnittes im frühen 16.Jahrhundert. Glasschneider und Graveure in Nürnberg und Potsdam waren für ihre geschickt ausgeführten Entwürfe im Barockstil berühmt. Zur gleichen Zeit setzte man jedoch in den deutschen Glashütten die Tradition der Email- und Kaltmalerei fort.
Von weit reichender Bedeutung für die Glaskunst war die Erfindung des Bleioxidglases (um 1676) durch George Ravenscroft in England. Es war formbarer, glänzender und haltbarer als das zerbrechliche cristallo und galt im 18.Jahrhundert als das beste Glas. Englische Tafelgläser beherrschten nun den Markt in Europa und Übersee und wurden zum Vorbild für die Glasproduktion auf dem Kontinent. Als Neuerung brachte England in der Mitte des 18.Jahrhunderts Weingläser hervor, in deren Schäften Spiralen aus Luft oder opakem Email, die twists, eingeschlossen waren. Eines der hervorragendsten Erzeugnisse dieser Periode war der englische Kronleuchter mit seinen geschliffenen Glastropfen. Welche Möglichkeiten die Verwendung von Bleikristall, das sich ja besonders für den Schnitt eignet, den Künstlern bot, wird in Glaserzeugnissen der klassizistischen Epoche sichtbar.
Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert
Die Stilentwicklung der Glaskunst des 19.Jahrhunderts ist vom enormen Fortschritt der Glastechnologie und der Wiederentdeckung alter Techniken gekennzeichnet.Mechanisches Pressen, das in den USA erfunden wurde, war eine billige und schnelle Produktionsmethode, die die Bedeutung des Glases im Haus und in der Industrie erheblich steigerte. Vor 1850 erhielten die Gläser durch das Pressen komplizierte, spitzenähnliche Muster, die den ursprünglich unerwünschten milchigen Charakter des Glases, der durch den Kontakt mit der kälteren Pressform verursacht wurde, überdecken sollte. Schlichtere Dekors, die seit den vierziger Jahren des 19.Jahrhunderts beliebt und als Pressmusterglas bekannt waren, waren in großer Vielfalt auf dem Markt. Gleichzeitig litt die Nachfrage nach teurerem geschnittenen und geschliffenen Glas unter dem Wettbewerb mit dem Pressglas. Erst um 1880 erreichte es erneut eine gewisse Verbreitung, als ausgefeilte Muster entwickelt wurden, in denen die Lichtbrechungsfähigkeit von hochwertigem Glas voll zur Geltung kommen konnte.Seit dem späten 18.Jahrhundert wurden eine Reihe von römischen Glaserzeugungstechniken wiederbelebt und dem klassizistischen Stil angepasst. Glasmanufakturen auf dem Kontinent entwickelten die römische Technik zur Herstellung von Zwischengoldglas weiter. Kameenähnliche Wirkungen wurden mit eingeschmolzenen Sulfiden – häufig in Form von Porträts – erzielt, und Kameengravur und -schnitt wurden seit der Mitte des Jahrhunderts angewandt. Die bedeutendsten Arbeiten stammen von der Firma Thomas Webb and Sons (gegründet 1837), einer Glashütte in Stourbridge in England. Briefbeschwerer, die seit etwa 1845 in Mode waren, zeigten häufig ein Millefiorimuster (tausend Blumen), das an antikes Mosaikglas erinnert. Die im späten 19.Jahrhundert beliebte Technik, Glas hellglänzend zu polieren und mit gravierten Ornamenten zu schmücken, entstand in Anlehnung an die Kristallglasarbeiten der Renaissance.
Böhmen war weiterhin führend bei der Herstellung von Gläsern mit Schnitt-Dekors. Der Fortschritt in der Chemie ermöglichte neue Arten von opakem, farbigem Glas wie das Lithyalin, entstehen, die Halbedelsteinen ähnelten. Gefäße wurden mit transparenten Glasuren und Lasuren überzogen. Parallel zu diesen Neuerungen kam es zu einer Renaissance der Glasmalerei.
Glaskünstler entwickelten ab 1880 als Reaktion auf die Massenproduktion neue Stile für handwerklich bearbeitetes Glas. Zwischen 1890 und 1910 wurde in Deutschland und Frankreich Glaskunst im Jugendstil hergestellt. Louis Comfort Tiffany in den USA sowie Emile Gallé und die Firma Daum Frères (gegründet 1889) in Nancy waren die führenden Vertreter.
Nach dem 1.Weltkrieg entstand ein neues Interesse an Struktur und formalisierten Dekoren, wie an den Entwürfen René Laliques und Maurice Marinots zu erkennen ist. In den dreißiger Jahren begannen einige skandinavische (Oreforrs) und amerikanische Firmen, klares, farbloses, häufig auch geschliffenes Bleiglas auf den Markt zu bringen.
Islamisches und asiatisches Glas
Islamisches Glas
Die älteren islamischen Traditionen des geschnittenen Glases, wie sie zur Zeit der Sassaniden ab dem 2.Jahrhundert n.Chr. entwickelt worden waren, wurden von Kunsthandwerkern fortgeführt, die Gefäße, häufig mit Tiermotiven, in Hochschnitt verzierten. Sie stellten auch qualitativ hochwertiges, farbloses Glas mit feinen, mit Rädchen geschnittenen Mustern her. Die Einführung der eingebrannten Emailfarben und das Vergolden erweiterte die Palette der Dekorationen; Kunsthandwerker aus Aleppo und Damaskus waren für diese Technik berühmt. Aus Ägypten kam die Lüstermalerei, mit der schimmernde, metallische Effekte in Braun, Gelb und Rot auf Keramik und Glas aufgebracht wurden. Lampen für Moscheen, Schalen, Becher und Flaschen erhielten für den Islam typische geometrische Muster. Formen und Dekors beeinflussten später auch europäische Glaswaren, besonders in Venedig und Spanien.
Indisches Glas
In Indien wurde Glas bereits im 5.Jahrhundert n.Chr. hergestellt, aber eine nennenswerte Glasproduktion entstand erst in der Mogulzeit im 16.Jahrhundert. Zu den bevorzugt hergestellten Gegenständen gehörten Gestelle für Wasserpfeifen, Spritzflaschen und Schüsseln, die oft vergoldet oder emailliert und mit floralen Mustern geschmückt waren. Im 18.Jahrhundert verkaufte die britische East India Company große Mengen englischen Glases nach Indien, das von indischen Kunsthandwerkern geschliffen wurde.
Ostasiatisches Glas
Chinesisches Glas, das mit einem Augenmuster verziert war, wurde bei Ausgrabungen der Tschou-Dynastie (11. Jahrhundert bis 256 v. Chr.) entdeckt. Frühe Glasobjekte, die häufig aus eingeschmolzenem Importglas entstanden, waren klein und wurden wie Edelsteine geschnitten. Typisch für chinesisches Glas ist seine Behandlung als Imitat von Halbedelsteinen, aus dem man Schmuck und später auch Riechfläschchen herstellte. Aus der Zeit vor der Glashütte am Kaiserlichen Palast von Peking (1680) sind nur wenige Glasgefäße bekannt. Unter dem Einfluss der Jesuiten am Hof von Peking wurden geblasene Gefäße in verschiedenen westeuropäischen Stilrichtungen hergestellt. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Glaswaren jedoch vorwiegend im chinesischen Stil gefertigt, mit kräftigen Farben und geschnittenen oder emaillierten Dekoren. Die Chinesen erwiesen sich auch als Meister des Kameenschnittes. Charakteristisch für ihre Glasgefäße sind die schlichten, vom Porzellan beeinflussten Formen, die dicken, oft mehrfach überfangenen Wände und der wächserne Glanz.
Von einigen Gefäßen, die in Japan gefunden wurden, buddhistischen Reliquienfläschchen und Bestattungsurnen, nimmt man an, dass sie aus der Asuka- und Narazeit (593-794) stammen. Die Glasherstellung kam anscheinend im 13. Jahrhundert ganz zum Erliegen und wurde erst gegen 1750 wieder belebt.