GCB Kunstlexikon
TEXTILKUNST
Sammelbegriff für die künstlerische Gestaltung textilen Materials tierischer, pflanzlicher und synthetischer Herkunft in den verschiedensten Techniken, wobei z. B. durch Maschenstoffbildung (Einhängen, Verschlingen, Verknoten, Häkeln, Stricken), durch Fadenverkreuzen (Flechten, Bildwirken, Weben) oder durch Knüpfen textile Flächen oder Formen entstehen. Unter den Begriff Textilkunst fallen auch die Techniken der Stoffverzierung wie Sticken, Steppen, Applikationsarbeit, Durchbrucharbeit, das Bemalen und Bedrucken von Textilien und das Färben mit Hilfe von Reservetechniken wie Tritik, Plangi, Batik und Ikat.
In Europa sind die ältesten Materialien der Textilkunst Wolle, Flachs, Baumwolle und Bast. Die Verarbeitung von Wolle oder Flachs zu Geweben ist seit der Jungsteinzeit bekannt, wie zahlreiche Funde tönerner Spinnwirtel und auch vereinzelt Originalreste von Textilien oder ihr Abdruck in Tonarbeiten (besonders aus Ägypten sowie aus den alpenländischen Pfahlbauten der späten Jungsteinzeit) beweisen. Spätestens in der Hallstattzeit konnten in Mitteleuropa gemusterte Stoffe gewebt werden. Seidengewebe gelangten von China besonders über die Seidenstraße nach Westen. Seit der Antike kamen mit Metallfolien aus Gold und Silber umwundene Garne hinzu. Erst vom 17. Jahrhundert an gewann die Baumwolle in Europa an Bedeutung. Sie kam wohl über Indien schon im 12. Jh. in die islamische Welt. Im 20. Jahrhundert wurden diese Materialien durch Chemiefasern ergänzt und z. T. verdrängt. Das Kunsthandwerk der Gegenwart verwendet bei textilen Arbeiten auch textilfremde Materialien.
Im frühen Mittelalter wurden kunstvolle Seidengewebe v. a. aus Byzanz und dem Orient importiert. In Gotik und Renaissance entstanden in Italien und Spanien Herstellungszentren, im 17. und 18. Jh. wurde Frankreich führend. Die Stickerei gelangte in ganz Europa im Mittelalter zu hoher Blüte. Die „Kölner Borten“ (Webereien) waren vom 14. bis 16. Jahrhundert ein begehrter Exportartikel des Rheinlands.
Erst die Gobelins aus Flandern und Frankreich eroberten seit dem 15. Jahrhundert den damaligen Weltmarkt. Noch heute pflegen Kunsthandwerk und Industrie nahezu alle Techniken der Textilkunst, wobei der Zeugdruck, der schon für das 12./13. Jh. belegt ist und um 1900 einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte, in der Textilproduktion die breiteste Anwendung erfährt. Mit der Erneuerung des Kunstgewerbes am Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr auch die Textilkunst neue Impulse.
Bedeutende deutsche Sammlungen historischer Textilien bewahren u.a. die Dome von Aachen, Bamberg, Brandenburg, Halberstadt und die Klöster Lüne, Wienhausen, die Kunstgewerbemuseen von Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart u. a., das Germanische National-Museum Nürnberg, das Bayerische Nat.-Museum München und das Deutsche Textil-Museum Krefeld.
In Schwarzafrika werden neben Raphia und Bast (Baststoffe) v. a. Baumwolle, in jüngerer Zeit auch Kunstfasern, zu gewebten Textilien verarbeitet. Metalle, wie Gold, Silber, sehr selten auch Blei, werden zur Verschönerung des gewebten Materials in Form von Draht, Perlen o. ä. in das Gewebe integriert, v. a. in Nigeria, O-Afrika und Madagaskar. In Veredelungstechniken sind neben der weit verbreiteten Indigo-Färberei verschiedene Reservetechniken, wie Abbindetechnik und Batik, aber auch Ikat (Baule), das Bemalen mit Erdfarben und Bedrucken mit Stempeln und Matrizen, beliebt sowie das Besticken (Nigeria) und die Herstellung von Velours-Effekten (Zaire).
Aus dem vorkolumb. Amerika sind wegen der Klimabedingungen Zeugnisse der Textilkunst v. a. aus der extrem trockenen Küstenregion Perus erhalten. Es sind Totenhemden und -tücher, mit denen Mumien bekleidet oder eingewickelt waren. Obwohl mit Hilfe des einfachen Webgerätes (Hüftgurt-Webstuhl) nur Stoffbahnen bis zu einer bestimmten Breite gefertigt werden konnten, wurden nahezu alle Techniken (u. a. Schleier-, Kelim-, Doppelgewebe) beherrscht. Als Rohmaterialien dienten Baumwolle, Lama-, Alpaka- und Vicunawolle. Neben den natürlichen Farben dieser Materialien wurden bis zu 190 Farbtöne zum Färben verwendet. Neben der Musterung durch Einweben, Broschieren, Ikat-Technik und Bemalen wurden die Gewebe in den verschiedensten Sticharten bestickt. Motive sind Mischwesen, dämonenartige Gottheiten und Fabelwesen, diverse Tiermotive und geometrische Muster. Die hochwertigsten und schönsten Werke der Textilkunst stammen aus der Paracas-Kultur.
Aus Mesoamerika sind zwar kaum alte Textilien erhalten, aber in Mexiko und Guatemala greift die Volkskunst der Indianer mit Weberei und Stickerei auf alte Traditionen zurück.
In Nordamerika gehören zu den besten Arbeiten der Textilkunst: bei den Nordwestküsten-Indianern die Chilkatdecken und die „Button blankets“ (mit Mustern aus aufgenähten Perlmuttknöpfen verzierte Tücher); bei den Navajo gewebte Decken; mit Stickerei, Applikationen und Quillwork verzierte Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände vieler anderer Stämme.
Neben Hanf und Leinen war Seide das wichtigste Textilerzeugnis in Ostasien. Sie verbreitete sich von China über Korea nach Japan, auf dem Landweg nach Indien, von dort nach Persien und Zentralasien. Das bisher älteste bekannte Seidenfragment wurde 1958 bei Wuhsing in der chinesischen Provinz Chekiang ausgegraben (um 2750 v. Chr.). Die Existenz spezialisierter Werkstätten zur Herstellung von Seide ist durch Funde bei Anyang (um 1300 v. Chr.) bezeugt. Im 5. Jahrhundert v. Chr. spielte die Seide bereits eine wichtige Rolle als Exportartikel (damastartige Gewebe, Brokate, durchbrochen gearbeitete Seiden; v. a. mit mehrfarbigen Rombenmustern oder gestreiften Rechtecken). Aufschluß über die Vielfalt der Seidengewebe und Stickarten der Han-Zeit geben u. a. die Funde in Noin Ula (Mongolei) und die im Grab der Markgräfin von Tai in Ch’angsha ausgegrabenen Gewänder (2. Jahrhundert v. Chr.). In Tunhuang konnten Wandbehänge mit buddhist. Motiven und buddhist. Banner der T’ang-Zeit geborgen werden. Die Kunst der einzigartigen K’ossu-Weberei erlebte einen ersten Höhepunkt in der Sung-Zeit: Gewebte Bilder (Landschaften, bedeutende Werke der Kalligraphie, Blumen- und Vogelmotive, die die Thematik der gleichzeitigen Akademiemalerei aufgreifen) wurden vom Künstler signiert und waren als Kunstwerke geschätzt (viele Stücke im Palast-Museum Taipeh). Zu Beginn der Ming-Zeit waren alle Web- und Stickarten bereits voll entwickelt, und die vielen Textilprodukte der Ming- und Ch’ing-Periode (in Farben, Symbolen, Dekormotiven streng hierarchisch klassifizierte Kaiser- und Mandarinroben u. a.) weisen in technischer Hinsicht keine Neuerungen auf.
Die Völker Indonesiens beherrschen seit Jahrhunderten die Kunst komplizierter Web- und Färbetechniken (besonders Reservetechniken) bei der Herstellung von Gebrauchstüchern und v. a. kultisch verwendeter Gewebe aus Baumwolle oder Seide. Auf Java und z. T. auf Sumatra dominiert neben Tritik und Plangi der Batik, während auf einem Großteil der Inseln, bes. auf Bali, v. a. die Ikat-Technik angewendet wird, entweder bei den Kett- oder bei Schußfäden oder bei beiden (Doppel-Ikat, hergestellt nur im Dorf Tenganan Pageringsingang auf Bali). Die Fülle von Motiven liegt im Bereich altmalaiischer Symbolik, vielfach im Zusammenhang mit Totenkult und Ahnenverehrung, auf Java und Bali auch aus Indien übernommener relig. und epischer Thematik. Eine Besonderheit sind die bis ins 19. Jahrhundert hergestellten Zeremonialtücher (z. T. Schiffstücher gen.) aus Kroe (Süd-Sumatra), die in erhabener Webstruktur symbolische Motive im Zusammenhang mit der Ahnenverehrung zeigen.
In Ozeanien dominieren mehrfarbige, in der Verzierung Schachbrett- und Linienmuster kombinierende Maschenstoff-Taschen (v. a. Nord- und Zentral-Neuguinea, dort auch mit Fäden, die mit hellen Orchideenstreifen umwickelt werden; ferner Australien) sowie geflochtene oder gewobene Matten mit geometrischen Mustern (Mikronesien, Ost-Melanesien, Polynesien); ferner Tapa. Lokale Spezialitäten sind die Perlenstoffe (Prünkschurze) der Admiralitätsinseln, die mit Federn verzierten Schulterumhänge aus Hawaii und Neuseeland sowie die aus dem Zwirnbinden abgeleitete effektvolle „taaniko“-Ziertechnik der Maori mit mehrfarbigen Zickzack-, Dreieck-, Rauten- und Spiralmustern.
TEXTILKUNST
Sammelbegriff für die künstlerische Gestaltung textilen Materials tierischer, pflanzlicher und synthetischer Herkunft in den verschiedensten Techniken, wobei z. B. durch Maschenstoffbildung (Einhängen, Verschlingen, Verknoten, Häkeln, Stricken), durch Fadenverkreuzen (Flechten, Bildwirken, Weben) oder durch Knüpfen textile Flächen oder Formen entstehen. Unter den Begriff Textilkunst fallen auch die Techniken der Stoffverzierung wie Sticken, Steppen, Applikationsarbeit, Durchbrucharbeit, das Bemalen und Bedrucken von Textilien und das Färben mit Hilfe von Reservetechniken wie Tritik, Plangi, Batik und Ikat.
In Europa sind die ältesten Materialien der Textilkunst Wolle, Flachs, Baumwolle und Bast. Die Verarbeitung von Wolle oder Flachs zu Geweben ist seit der Jungsteinzeit bekannt, wie zahlreiche Funde tönerner Spinnwirtel und auch vereinzelt Originalreste von Textilien oder ihr Abdruck in Tonarbeiten (besonders aus Ägypten sowie aus den alpenländischen Pfahlbauten der späten Jungsteinzeit) beweisen. Spätestens in der Hallstattzeit konnten in Mitteleuropa gemusterte Stoffe gewebt werden. Seidengewebe gelangten von China besonders über die Seidenstraße nach Westen. Seit der Antike kamen mit Metallfolien aus Gold und Silber umwundene Garne hinzu. Erst vom 17. Jahrhundert an gewann die Baumwolle in Europa an Bedeutung. Sie kam wohl über Indien schon im 12. Jh. in die islamische Welt. Im 20. Jahrhundert wurden diese Materialien durch Chemiefasern ergänzt und z. T. verdrängt. Das Kunsthandwerk der Gegenwart verwendet bei textilen Arbeiten auch textilfremde Materialien.
Im frühen Mittelalter wurden kunstvolle Seidengewebe v. a. aus Byzanz und dem Orient importiert. In Gotik und Renaissance entstanden in Italien und Spanien Herstellungszentren, im 17. und 18. Jh. wurde Frankreich führend. Die Stickerei gelangte in ganz Europa im Mittelalter zu hoher Blüte. Die „Kölner Borten“ (Webereien) waren vom 14. bis 16. Jahrhundert ein begehrter Exportartikel des Rheinlands.
Erst die Gobelins aus Flandern und Frankreich eroberten seit dem 15. Jahrhundert den damaligen Weltmarkt. Noch heute pflegen Kunsthandwerk und Industrie nahezu alle Techniken der Textilkunst, wobei der Zeugdruck, der schon für das 12./13. Jh. belegt ist und um 1900 einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte, in der Textilproduktion die breiteste Anwendung erfährt. Mit der Erneuerung des Kunstgewerbes am Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr auch die Textilkunst neue Impulse.
Bedeutende deutsche Sammlungen historischer Textilien bewahren u.a. die Dome von Aachen, Bamberg, Brandenburg, Halberstadt und die Klöster Lüne, Wienhausen, die Kunstgewerbemuseen von Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart u. a., das Germanische National-Museum Nürnberg, das Bayerische Nat.-Museum München und das Deutsche Textil-Museum Krefeld.
In Schwarzafrika werden neben Raphia und Bast (Baststoffe) v. a. Baumwolle, in jüngerer Zeit auch Kunstfasern, zu gewebten Textilien verarbeitet. Metalle, wie Gold, Silber, sehr selten auch Blei, werden zur Verschönerung des gewebten Materials in Form von Draht, Perlen o. ä. in das Gewebe integriert, v. a. in Nigeria, O-Afrika und Madagaskar. In Veredelungstechniken sind neben der weit verbreiteten Indigo-Färberei verschiedene Reservetechniken, wie Abbindetechnik und Batik, aber auch Ikat (Baule), das Bemalen mit Erdfarben und Bedrucken mit Stempeln und Matrizen, beliebt sowie das Besticken (Nigeria) und die Herstellung von Velours-Effekten (Zaire).
Aus dem vorkolumb. Amerika sind wegen der Klimabedingungen Zeugnisse der Textilkunst v. a. aus der extrem trockenen Küstenregion Perus erhalten. Es sind Totenhemden und -tücher, mit denen Mumien bekleidet oder eingewickelt waren. Obwohl mit Hilfe des einfachen Webgerätes (Hüftgurt-Webstuhl) nur Stoffbahnen bis zu einer bestimmten Breite gefertigt werden konnten, wurden nahezu alle Techniken (u. a. Schleier-, Kelim-, Doppelgewebe) beherrscht. Als Rohmaterialien dienten Baumwolle, Lama-, Alpaka- und Vicunawolle. Neben den natürlichen Farben dieser Materialien wurden bis zu 190 Farbtöne zum Färben verwendet. Neben der Musterung durch Einweben, Broschieren, Ikat-Technik und Bemalen wurden die Gewebe in den verschiedensten Sticharten bestickt. Motive sind Mischwesen, dämonenartige Gottheiten und Fabelwesen, diverse Tiermotive und geometrische Muster. Die hochwertigsten und schönsten Werke der Textilkunst stammen aus der Paracas-Kultur.
Aus Mesoamerika sind zwar kaum alte Textilien erhalten, aber in Mexiko und Guatemala greift die Volkskunst der Indianer mit Weberei und Stickerei auf alte Traditionen zurück.
In Nordamerika gehören zu den besten Arbeiten der Textilkunst: bei den Nordwestküsten-Indianern die Chilkatdecken und die „Button blankets“ (mit Mustern aus aufgenähten Perlmuttknöpfen verzierte Tücher); bei den Navajo gewebte Decken; mit Stickerei, Applikationen und Quillwork verzierte Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände vieler anderer Stämme.
Neben Hanf und Leinen war Seide das wichtigste Textilerzeugnis in Ostasien. Sie verbreitete sich von China über Korea nach Japan, auf dem Landweg nach Indien, von dort nach Persien und Zentralasien. Das bisher älteste bekannte Seidenfragment wurde 1958 bei Wuhsing in der chinesischen Provinz Chekiang ausgegraben (um 2750 v. Chr.). Die Existenz spezialisierter Werkstätten zur Herstellung von Seide ist durch Funde bei Anyang (um 1300 v. Chr.) bezeugt. Im 5. Jahrhundert v. Chr. spielte die Seide bereits eine wichtige Rolle als Exportartikel (damastartige Gewebe, Brokate, durchbrochen gearbeitete Seiden; v. a. mit mehrfarbigen Rombenmustern oder gestreiften Rechtecken). Aufschluß über die Vielfalt der Seidengewebe und Stickarten der Han-Zeit geben u. a. die Funde in Noin Ula (Mongolei) und die im Grab der Markgräfin von Tai in Ch’angsha ausgegrabenen Gewänder (2. Jahrhundert v. Chr.). In Tunhuang konnten Wandbehänge mit buddhist. Motiven und buddhist. Banner der T’ang-Zeit geborgen werden. Die Kunst der einzigartigen K’ossu-Weberei erlebte einen ersten Höhepunkt in der Sung-Zeit: Gewebte Bilder (Landschaften, bedeutende Werke der Kalligraphie, Blumen- und Vogelmotive, die die Thematik der gleichzeitigen Akademiemalerei aufgreifen) wurden vom Künstler signiert und waren als Kunstwerke geschätzt (viele Stücke im Palast-Museum Taipeh). Zu Beginn der Ming-Zeit waren alle Web- und Stickarten bereits voll entwickelt, und die vielen Textilprodukte der Ming- und Ch’ing-Periode (in Farben, Symbolen, Dekormotiven streng hierarchisch klassifizierte Kaiser- und Mandarinroben u. a.) weisen in technischer Hinsicht keine Neuerungen auf.
Die Völker Indonesiens beherrschen seit Jahrhunderten die Kunst komplizierter Web- und Färbetechniken (besonders Reservetechniken) bei der Herstellung von Gebrauchstüchern und v. a. kultisch verwendeter Gewebe aus Baumwolle oder Seide. Auf Java und z. T. auf Sumatra dominiert neben Tritik und Plangi der Batik, während auf einem Großteil der Inseln, bes. auf Bali, v. a. die Ikat-Technik angewendet wird, entweder bei den Kett- oder bei Schußfäden oder bei beiden (Doppel-Ikat, hergestellt nur im Dorf Tenganan Pageringsingang auf Bali). Die Fülle von Motiven liegt im Bereich altmalaiischer Symbolik, vielfach im Zusammenhang mit Totenkult und Ahnenverehrung, auf Java und Bali auch aus Indien übernommener relig. und epischer Thematik. Eine Besonderheit sind die bis ins 19. Jahrhundert hergestellten Zeremonialtücher (z. T. Schiffstücher gen.) aus Kroe (Süd-Sumatra), die in erhabener Webstruktur symbolische Motive im Zusammenhang mit der Ahnenverehrung zeigen.
In Ozeanien dominieren mehrfarbige, in der Verzierung Schachbrett- und Linienmuster kombinierende Maschenstoff-Taschen (v. a. Nord- und Zentral-Neuguinea, dort auch mit Fäden, die mit hellen Orchideenstreifen umwickelt werden; ferner Australien) sowie geflochtene oder gewobene Matten mit geometrischen Mustern (Mikronesien, Ost-Melanesien, Polynesien); ferner Tapa. Lokale Spezialitäten sind die Perlenstoffe (Prünkschurze) der Admiralitätsinseln, die mit Federn verzierten Schulterumhänge aus Hawaii und Neuseeland sowie die aus dem Zwirnbinden abgeleitete effektvolle „taaniko“-Ziertechnik der Maori mit mehrfarbigen Zickzack-, Dreieck-, Rauten- und Spiralmustern.
TEXTILKUNST
Sammelbegriff für die künstlerische Gestaltung textilen Materials tierischer, pflanzlicher und synthetischer Herkunft in den verschiedensten Techniken, wobei z. B. durch Maschenstoffbildung (Einhängen, Verschlingen, Verknoten, Häkeln, Stricken), durch Fadenverkreuzen (Flechten, Bildwirken, Weben) oder durch Knüpfen textile Flächen oder Formen entstehen. Unter den Begriff Textilkunst fallen auch die Techniken der Stoffverzierung wie Sticken, Steppen, Applikationsarbeit, Durchbrucharbeit, das Bemalen und Bedrucken von Textilien und das Färben mit Hilfe von Reservetechniken wie Tritik, Plangi, Batik und Ikat.
In Europa sind die ältesten Materialien der Textilkunst Wolle, Flachs, Baumwolle und Bast. Die Verarbeitung von Wolle oder Flachs zu Geweben ist seit der Jungsteinzeit bekannt, wie zahlreiche Funde tönerner Spinnwirtel und auch vereinzelt Originalreste von Textilien oder ihr Abdruck in Tonarbeiten (besonders aus Ägypten sowie aus den alpenländischen Pfahlbauten der späten Jungsteinzeit) beweisen. Spätestens in der Hallstattzeit konnten in Mitteleuropa gemusterte Stoffe gewebt werden. Seidengewebe gelangten von China besonders über die Seidenstraße nach Westen. Seit der Antike kamen mit Metallfolien aus Gold und Silber umwundene Garne hinzu. Erst vom 17. Jahrhundert an gewann die Baumwolle in Europa an Bedeutung. Sie kam wohl über Indien schon im 12. Jh. in die islamische Welt. Im 20. Jahrhundert wurden diese Materialien durch Chemiefasern ergänzt und z. T. verdrängt. Das Kunsthandwerk der Gegenwart verwendet bei textilen Arbeiten auch textilfremde Materialien.
Im frühen Mittelalter wurden kunstvolle Seidengewebe v. a. aus Byzanz und dem Orient importiert. In Gotik und Renaissance entstanden in Italien und Spanien Herstellungszentren, im 17. und 18. Jh. wurde Frankreich führend. Die Stickerei gelangte in ganz Europa im Mittelalter zu hoher Blüte. Die „Kölner Borten“ (Webereien) waren vom 14. bis 16. Jahrhundert ein begehrter Exportartikel des Rheinlands.
Erst die Gobelins aus Flandern und Frankreich eroberten seit dem 15. Jahrhundert den damaligen Weltmarkt. Noch heute pflegen Kunsthandwerk und Industrie nahezu alle Techniken der Textilkunst, wobei der Zeugdruck, der schon für das 12./13. Jh. belegt ist und um 1900 einen bemerkenswerten Aufschwung erlebte, in der Textilproduktion die breiteste Anwendung erfährt. Mit der Erneuerung des Kunstgewerbes am Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr auch die Textilkunst neue Impulse.
Bedeutende deutsche Sammlungen historischer Textilien bewahren u.a. die Dome von Aachen, Bamberg, Brandenburg, Halberstadt und die Klöster Lüne, Wienhausen, die Kunstgewerbemuseen von Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart u. a., das Germanische National-Museum Nürnberg, das Bayerische Nat.-Museum München und das Deutsche Textil-Museum Krefeld.
In Schwarzafrika werden neben Raphia und Bast (Baststoffe) v. a. Baumwolle, in jüngerer Zeit auch Kunstfasern, zu gewebten Textilien verarbeitet. Metalle, wie Gold, Silber, sehr selten auch Blei, werden zur Verschönerung des gewebten Materials in Form von Draht, Perlen o. ä. in das Gewebe integriert, v. a. in Nigeria, O-Afrika und Madagaskar. In Veredelungstechniken sind neben der weit verbreiteten Indigo-Färberei verschiedene Reservetechniken, wie Abbindetechnik und Batik, aber auch Ikat (Baule), das Bemalen mit Erdfarben und Bedrucken mit Stempeln und Matrizen, beliebt sowie das Besticken (Nigeria) und die Herstellung von Velours-Effekten (Zaire).
Aus dem vorkolumb. Amerika sind wegen der Klimabedingungen Zeugnisse der Textilkunst v. a. aus der extrem trockenen Küstenregion Perus erhalten. Es sind Totenhemden und -tücher, mit denen Mumien bekleidet oder eingewickelt waren. Obwohl mit Hilfe des einfachen Webgerätes (Hüftgurt-Webstuhl) nur Stoffbahnen bis zu einer bestimmten Breite gefertigt werden konnten, wurden nahezu alle Techniken (u. a. Schleier-, Kelim-, Doppelgewebe) beherrscht. Als Rohmaterialien dienten Baumwolle, Lama-, Alpaka- und Vicunawolle. Neben den natürlichen Farben dieser Materialien wurden bis zu 190 Farbtöne zum Färben verwendet. Neben der Musterung durch Einweben, Broschieren, Ikat-Technik und Bemalen wurden die Gewebe in den verschiedensten Sticharten bestickt. Motive sind Mischwesen, dämonenartige Gottheiten und Fabelwesen, diverse Tiermotive und geometrische Muster. Die hochwertigsten und schönsten Werke der Textilkunst stammen aus der Paracas-Kultur.
Aus Mesoamerika sind zwar kaum alte Textilien erhalten, aber in Mexiko und Guatemala greift die Volkskunst der Indianer mit Weberei und Stickerei auf alte Traditionen zurück.
In Nordamerika gehören zu den besten Arbeiten der Textilkunst: bei den Nordwestküsten-Indianern die Chilkatdecken und die „Button blankets“ (mit Mustern aus aufgenähten Perlmuttknöpfen verzierte Tücher); bei den Navajo gewebte Decken; mit Stickerei, Applikationen und Quillwork verzierte Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände vieler anderer Stämme.
Neben Hanf und Leinen war Seide das wichtigste Textilerzeugnis in Ostasien. Sie verbreitete sich von China über Korea nach Japan, auf dem Landweg nach Indien, von dort nach Persien und Zentralasien. Das bisher älteste bekannte Seidenfragment wurde 1958 bei Wuhsing in der chinesischen Provinz Chekiang ausgegraben (um 2750 v. Chr.). Die Existenz spezialisierter Werkstätten zur Herstellung von Seide ist durch Funde bei Anyang (um 1300 v. Chr.) bezeugt. Im 5. Jahrhundert v. Chr. spielte die Seide bereits eine wichtige Rolle als Exportartikel (damastartige Gewebe, Brokate, durchbrochen gearbeitete Seiden; v. a. mit mehrfarbigen Rombenmustern oder gestreiften Rechtecken). Aufschluß über die Vielfalt der Seidengewebe und Stickarten der Han-Zeit geben u. a. die Funde in Noin Ula (Mongolei) und die im Grab der Markgräfin von Tai in Ch’angsha ausgegrabenen Gewänder (2. Jahrhundert v. Chr.). In Tunhuang konnten Wandbehänge mit buddhist. Motiven und buddhist. Banner der T’ang-Zeit geborgen werden. Die Kunst der einzigartigen K’ossu-Weberei erlebte einen ersten Höhepunkt in der Sung-Zeit: Gewebte Bilder (Landschaften, bedeutende Werke der Kalligraphie, Blumen- und Vogelmotive, die die Thematik der gleichzeitigen Akademiemalerei aufgreifen) wurden vom Künstler signiert und waren als Kunstwerke geschätzt (viele Stücke im Palast-Museum Taipeh). Zu Beginn der Ming-Zeit waren alle Web- und Stickarten bereits voll entwickelt, und die vielen Textilprodukte der Ming- und Ch’ing-Periode (in Farben, Symbolen, Dekormotiven streng hierarchisch klassifizierte Kaiser- und Mandarinroben u. a.) weisen in technischer Hinsicht keine Neuerungen auf.
Die Völker Indonesiens beherrschen seit Jahrhunderten die Kunst komplizierter Web- und Färbetechniken (besonders Reservetechniken) bei der Herstellung von Gebrauchstüchern und v. a. kultisch verwendeter Gewebe aus Baumwolle oder Seide. Auf Java und z. T. auf Sumatra dominiert neben Tritik und Plangi der Batik, während auf einem Großteil der Inseln, bes. auf Bali, v. a. die Ikat-Technik angewendet wird, entweder bei den Kett- oder bei Schußfäden oder bei beiden (Doppel-Ikat, hergestellt nur im Dorf Tenganan Pageringsingang auf Bali). Die Fülle von Motiven liegt im Bereich altmalaiischer Symbolik, vielfach im Zusammenhang mit Totenkult und Ahnenverehrung, auf Java und Bali auch aus Indien übernommener relig. und epischer Thematik. Eine Besonderheit sind die bis ins 19. Jahrhundert hergestellten Zeremonialtücher (z. T. Schiffstücher gen.) aus Kroe (Süd-Sumatra), die in erhabener Webstruktur symbolische Motive im Zusammenhang mit der Ahnenverehrung zeigen.
In Ozeanien dominieren mehrfarbige, in der Verzierung Schachbrett- und Linienmuster kombinierende Maschenstoff-Taschen (v. a. Nord- und Zentral-Neuguinea, dort auch mit Fäden, die mit hellen Orchideenstreifen umwickelt werden; ferner Australien) sowie geflochtene oder gewobene Matten mit geometrischen Mustern (Mikronesien, Ost-Melanesien, Polynesien); ferner Tapa. Lokale Spezialitäten sind die Perlenstoffe (Prünkschurze) der Admiralitätsinseln, die mit Federn verzierten Schulterumhänge aus Hawaii und Neuseeland sowie die aus dem Zwirnbinden abgeleitete effektvolle „taaniko“-Ziertechnik der Maori mit mehrfarbigen Zickzack-, Dreieck-, Rauten- und Spiralmustern.