GCB Kunstlexikon
FUTURISMUS
Gino Severini, Nord-Süd-Metro, 1912
Umberto Boccioni, Forme uniche della continuità nello spazio, 1913, cast 1931 or 1934, Bronze, 111,2 x 88,5 x 40,0 cm, Museum of Modern Art New York | Aus Wikimedia Commons, dem freien Medienarchiv| Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. | Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. | Dieses Werk ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten, weil es vor dem 1. Januar 1926 veröffentlicht wurde.
VIDEO / FILM Futurismus
euronews (deutsch) | 110 Jahre Futurismus: Eine Ausstellung zeigt die bedeutendsten Werke | Es ist eine Kunstrichtung mit Beigeschmack: der Futurismus. In Pisa sind verschiedene Werke der Bewegung zu sehen. … | YouTube
DEFINITION FUTURISMUS
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien entstandene radikale Avantgardebewegung. Der Futurismus brach mit den als veraltet empfundenen Traditionen, sah die Notwendigkeit einer antiklassizistischen Kunst und suchte eine Kunst zu schaffen, die den Anforderungen des modernen, technisierten und dynamisierten Lebens der großstädtischen Massengesellschaft gerecht werden sollte. Zentrales Anliegen war dementsprechend die Abbildung von Bewegung und Simultaneität (Gleichzeitigkeit). In der Malerei versuchte der Futurismus, die Statik traditioneller Bildinhalte aufzubrechen. So scheinen denn auch auf den Gemälden der Futuristen die Formen und Farben zusammenzustürzen (vergleichbar mit kubistischer Abstraktionstechnik). Figurationen zerfließen ineinander: So sollen nacheinander ablaufendes Geschehen (Bewegung) auf der Leinwand durch linear strukturierte, strahlenförmig geordnete Kraftfelder festgehalten werden. Eine oftmals in Kriegs- und Maschinenkult ausartende Ästhetik der Beschleunigung propagierten die Futuristen auch für Plastik und Architektur.
CHRONOLOGIE FUTURISMUS
Initiiert wurde der Futurismus durch ein 1909 von Filippo Tommaso Marinetti im Pariser Figaro veröffentlichtes Gründungsmanifest (Manifeste du futurisme), dem eine Flut weiterer Programmschriften folgte.
Die Bewegung des italienischen Futurismus war überaus einflussreich auf die Entwicklung von folgenden Strömungen der Moderne:
WEGBEREITER Futurismus
Der Einfluss des Futurismus geht wesentlich auf seinen Gründer Filippo Tommaso Marinetti und dessen erstes futuristisches Manifest von 1909 zurück.
KÜNSTLER FUTURISMUS
Gino Severini | Italien | 1883 – 1966
Robert Delaunay | Frankreich | 1885 – 1941
Giacomo Balla | Italien | 1871 – 1958
Umberto Boccioni | Italien | 1882 – 1916
Carlo Carrà
Luigi Russolo
HAUPTWERKE Futurismus
Filippo Tommaso Marinetti | Manifeste de Futurisme | 1909
Umberto Boccioni | Forme uniche della continuità nello spazio | 1913
STICHWORTE FUTURISMUS
praktische Anschauung des Prinzips der Dynamik | Verherrlichung von Technik | Geschwindigkeitsrausch | vom Pointilismus zur kubistischen Abstraktionstechnik | Entmaterialisierung der Gegenstände | fließend ineinander greifende abstrakte Bewegungsphasen | Durchdringung von Körper und Raum bei der Plastik
ZITATE FUTURISMUS
„Wir wollen die kämpferische Bewegung, die fiebernde Schlaflosigkeit … und den Faustschlag preisen. Wir erklären, dass der Glanz der Welt um eine neue Schönheit reicher geworden ist, um die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennautomobil … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samorthrake.“ | : Filippo Tommaso Marinetti: Gründung und Manifest des Futurismus (1909), in: Apollonio, Umbro (Hg.): Der Futurismus.
Manifeste und Dokumente einer künstlerischen Revolution 1909–1918, Köln 1972, S. 30–36
Historischer Hintergrund Futurismus
Geprägt wurde Marinetti bei der Verfassung des Manifests von seinem literarischen Freundeskreis, zu dem vor allem Symbolisten wie Guillaume Apollinaire, Joris-Karl Huysmans und Stéphane Mallarmé gehörten. | Diese bekannten sich zur Gewalt und lehnten sich gegen die herrschende bürgerliche Ordnung auf. | Marinetti stand auch den Anarchisten wie Pierre-Joseph Proudhon, Michail Bakunin und vor allem Georges Sorel nicht fern und begrüßte die Attentate ihrer Aktivisten. | In seinem Manifest findet man auch Gedankengut von Friedrich Nietzsche. | Denn wie Nietzsches Zarathustra, streben Marinettis Helden ihre Ziele allein gegen eine feindliche Welt ohne Rücksicht auf ihr Umfeld gewalttätig an. | Im Manifest werden sowohl die christliche Moral als auch eine Abneigung gegen Frauen ersichtlich, zudem zeugt es vom Fehlen jeglicher sozialer Bezüge. | Marinetti fasste nach einem vollendeten Jura-Studium Entschluss eine neue Kulturrichtung ins Leben zu rufen. | Das Manifest verherrlichte Gewalt, Aggressivität, Geschwindigkeit, Krieg und Rücksichtslosigkeit und sagte den sogenannten „Passatisten“ (Anhänger des Vergangenen) und deren Anhängern den Kampf. | Dazu gehörte die Zerstörung von Bibliotheken, Museen und Akademien als Orte des Passatismus (überlebte Anschauungen). Es sollte Italien eine neue kulturelle Identität verleihen. |
Als Italien gegen den Willen der Kirche und der Sozialisten 1915 in den Krieg eintrat, eilten die Futuristen, als Propagandisten der Gewalt, zu den Fahnen, wodurch das künstlerische Wirken fast zum Erliegen kam. |
Dreizehn Futuristen verloren im Krieg das Leben, einundvierzig wurden verwundet. | Unter den Toten befanden sich neben dem Architekten Sant’Elia auch Boccioni. | Von 1920 bis 1924 hüllte sich Marinetti in Schweigen, während die ehemaligen Syndikalisten Mino Maccari und Curzio Suckert in der 1920 gegründeten futuristischen Zeitung «L’impero» das antiklerikale und revolutionäre Programm des ursprünglichen Futurismus weiter entwickelten. | Marinetti schrieb weiterhin faschistische Werke und erwarb sich dadurch auch Aufmerksamkeit von Mussolini, welcher ihn politisch unterstützte.
BIBLIOGRAPHIE Futurismus
Christa Baumgarth: Geschichte des Futurismus. Reinbek bei Hamburg 1966.
Ralf Beil: Künstlerküche: Lebensmittel als Kunstmaterial von Schiele bis Jason Rhoades. Köln 2002. S. 38–57
Maurizio Calvesi: Futurismus. München 1975.
Monica Cioli, Oliver Janz: Kunst und politische Symbolik im italienischen Faschismus. In: Carl Kraus, Hannes Obermair (Hrsg.): Mythen der Diktaturen. Kunst in Faschismus und Nationalsozialismus – Miti delle dittature. Arte nel fascismo e nazionalsocialismo. Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Dorf Tirol 2019, ISBN 978-88-95523-16-3, S. 16–29.
Peter Demetz: Worte in Freiheit. Der italienische Futurismus und die deutsche literarische Avantgarde (1912–1934). Mit einer ausführlichen Dokumentation. Piper, München / Zürich 1990. ISBN 3-492-11186-6.
Benedikt Hjartarson: Visionen des Neuen: eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests. Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6134-1 (Dissertation Rijksuniversiteit Groningen 2012, 408 Seiten).
Eva Hesse: Die Achse Avantgarde – Faschismus, Reflexionen über Filippo Tommaso Marinetti und Ezra Pound. Arche, Zürich 1991, ISBN 3-7160-2123-7.
Dietrich Kämper (Hrsg.): Der musikalische Futurismus. Köln 1999.
Winfried Kreutzer: Stile der portugiesischen Lyrik im 20. Jahrhundert. Münster 1980, ISBN 3-402-05477-9.
Norbert Nobis (Hrsg.): Der Lärm der Strasse – Italienischer Futurismus 1909–1918. Mazotta, Mailand 2001, ISBN 88-202-1454-7.
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Futurismus – Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Reinbek bei Hamburg 1993, ISBN 3-499-55535-2.
Jan Simane: Die Futurismus-Sammlungen der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz. Semicerchio (42.2010,1), S. 9–11. ISSN 1123-4075.
Regina Strobel-Koop: Geschichte und Theorie des italienischen Futurismus – Literatur, Kunst und Faschismus. Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-8657-6.
Caroline Tisdall, Angelo Bozzola: Futurism. London 2000, ISBN 0-500-20159-5.
LINKS Futurismus
FUTURISMUS
Gino Severini, Nord-Süd-Metro, 1912
Umberto Boccioni, Forme uniche della continuità nello spazio, 1913, cast 1931 or 1934, Bronze, 111,2 x 88,5 x 40,0 cm, Museum of Modern Art New York | Aus Wikimedia Commons, dem freien Medienarchiv| Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. | Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. | Dieses Werk ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten, weil es vor dem 1. Januar 1926 veröffentlicht wurde.
VIDEO / FILM Futurismus
euronews (deutsch) | 110 Jahre Futurismus: Eine Ausstellung zeigt die bedeutendsten Werke | Es ist eine Kunstrichtung mit Beigeschmack: der Futurismus. In Pisa sind verschiedene Werke der Bewegung zu sehen. … | YouTube
DEFINITION FUTURISMUS
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien entstandene radikale Avantgardebewegung. Der Futurismus brach mit den als veraltet empfundenen Traditionen, sah die Notwendigkeit einer antiklassizistischen Kunst und suchte eine Kunst zu schaffen, die den Anforderungen des modernen, technisierten und dynamisierten Lebens der großstädtischen Massengesellschaft gerecht werden sollte. Zentrales Anliegen war dementsprechend die Abbildung von Bewegung und Simultaneität (Gleichzeitigkeit). In der Malerei versuchte der Futurismus, die Statik traditioneller Bildinhalte aufzubrechen. So scheinen denn auch auf den Gemälden der Futuristen die Formen und Farben zusammenzustürzen (vergleichbar mit kubistischer Abstraktionstechnik). Figurationen zerfließen ineinander: So sollen nacheinander ablaufendes Geschehen (Bewegung) auf der Leinwand durch linear strukturierte, strahlenförmig geordnete Kraftfelder festgehalten werden. Eine oftmals in Kriegs- und Maschinenkult ausartende Ästhetik der Beschleunigung propagierten die Futuristen auch für Plastik und Architektur.
CHRONOLOGIE FUTURISMUS
Initiiert wurde der Futurismus durch ein 1909 von Filippo Tommaso Marinetti im Pariser Figaro veröffentlichtes Gründungsmanifest (Manifeste du futurisme), dem eine Flut weiterer Programmschriften folgte.
Die Bewegung des italienischen Futurismus war überaus einflussreich auf die Entwicklung von folgenden Strömungen der Moderne:
WEGBEREITER Futurismus
Der Einfluss des Futurismus geht wesentlich auf seinen Gründer Filippo Tommaso Marinetti und dessen erstes futuristisches Manifest von 1909 zurück.
KÜNSTLER FUTURISMUS
Gino Severini | Italien | 1883 – 1966
Robert Delaunay | Frankreich | 1885 – 1941
Giacomo Balla | Italien | 1871 – 1958
Umberto Boccioni | Italien | 1882 – 1916
Carlo Carrà
Luigi Russolo
HAUPTWERKE Futurismus
Filippo Tommaso Marinetti | Manifeste de Futurisme | 1909
Umberto Boccioni | Forme uniche della continuità nello spazio | 1913
STICHWORTE FUTURISMUS
praktische Anschauung des Prinzips der Dynamik | Verherrlichung von Technik | Geschwindigkeitsrausch | vom Pointilismus zur kubistischen Abstraktionstechnik | Entmaterialisierung der Gegenstände | fließend ineinander greifende abstrakte Bewegungsphasen | Durchdringung von Körper und Raum bei der Plastik
ZITATE FUTURISMUS
„Wir wollen die kämpferische Bewegung, die fiebernde Schlaflosigkeit … und den Faustschlag preisen. Wir erklären, dass der Glanz der Welt um eine neue Schönheit reicher geworden ist, um die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennautomobil … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samorthrake.“ | : Filippo Tommaso Marinetti: Gründung und Manifest des Futurismus (1909), in: Apollonio, Umbro (Hg.): Der Futurismus.
Manifeste und Dokumente einer künstlerischen Revolution 1909–1918, Köln 1972, S. 30–36
Historischer Hintergrund Futurismus
Geprägt wurde Marinetti bei der Verfassung des Manifests von seinem literarischen Freundeskreis, zu dem vor allem Symbolisten wie Guillaume Apollinaire, Joris-Karl Huysmans und Stéphane Mallarmé gehörten. | Diese bekannten sich zur Gewalt und lehnten sich gegen die herrschende bürgerliche Ordnung auf. | Marinetti stand auch den Anarchisten wie Pierre-Joseph Proudhon, Michail Bakunin und vor allem Georges Sorel nicht fern und begrüßte die Attentate ihrer Aktivisten. | In seinem Manifest findet man auch Gedankengut von Friedrich Nietzsche. | Denn wie Nietzsches Zarathustra, streben Marinettis Helden ihre Ziele allein gegen eine feindliche Welt ohne Rücksicht auf ihr Umfeld gewalttätig an. | Im Manifest werden sowohl die christliche Moral als auch eine Abneigung gegen Frauen ersichtlich, zudem zeugt es vom Fehlen jeglicher sozialer Bezüge. | Marinetti fasste nach einem vollendeten Jura-Studium Entschluss eine neue Kulturrichtung ins Leben zu rufen. | Das Manifest verherrlichte Gewalt, Aggressivität, Geschwindigkeit, Krieg und Rücksichtslosigkeit und sagte den sogenannten „Passatisten“ (Anhänger des Vergangenen) und deren Anhängern den Kampf. | Dazu gehörte die Zerstörung von Bibliotheken, Museen und Akademien als Orte des Passatismus (überlebte Anschauungen). Es sollte Italien eine neue kulturelle Identität verleihen. |
Als Italien gegen den Willen der Kirche und der Sozialisten 1915 in den Krieg eintrat, eilten die Futuristen, als Propagandisten der Gewalt, zu den Fahnen, wodurch das künstlerische Wirken fast zum Erliegen kam. |
Dreizehn Futuristen verloren im Krieg das Leben, einundvierzig wurden verwundet. | Unter den Toten befanden sich neben dem Architekten Sant’Elia auch Boccioni. | Von 1920 bis 1924 hüllte sich Marinetti in Schweigen, während die ehemaligen Syndikalisten Mino Maccari und Curzio Suckert in der 1920 gegründeten futuristischen Zeitung «L’impero» das antiklerikale und revolutionäre Programm des ursprünglichen Futurismus weiter entwickelten. | Marinetti schrieb weiterhin faschistische Werke und erwarb sich dadurch auch Aufmerksamkeit von Mussolini, welcher ihn politisch unterstützte.
BIBLIOGRAPHIE Futurismus
Christa Baumgarth: Geschichte des Futurismus. Reinbek bei Hamburg 1966.
Ralf Beil: Künstlerküche: Lebensmittel als Kunstmaterial von Schiele bis Jason Rhoades. Köln 2002. S. 38–57
Maurizio Calvesi: Futurismus. München 1975.
Monica Cioli, Oliver Janz: Kunst und politische Symbolik im italienischen Faschismus. In: Carl Kraus, Hannes Obermair (Hrsg.): Mythen der Diktaturen. Kunst in Faschismus und Nationalsozialismus – Miti delle dittature. Arte nel fascismo e nazionalsocialismo. Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Dorf Tirol 2019, ISBN 978-88-95523-16-3, S. 16–29.
Peter Demetz: Worte in Freiheit. Der italienische Futurismus und die deutsche literarische Avantgarde (1912–1934). Mit einer ausführlichen Dokumentation. Piper, München / Zürich 1990. ISBN 3-492-11186-6.
Benedikt Hjartarson: Visionen des Neuen: eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests. Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6134-1 (Dissertation Rijksuniversiteit Groningen 2012, 408 Seiten).
Eva Hesse: Die Achse Avantgarde – Faschismus, Reflexionen über Filippo Tommaso Marinetti und Ezra Pound. Arche, Zürich 1991, ISBN 3-7160-2123-7.
Dietrich Kämper (Hrsg.): Der musikalische Futurismus. Köln 1999.
Winfried Kreutzer: Stile der portugiesischen Lyrik im 20. Jahrhundert. Münster 1980, ISBN 3-402-05477-9.
Norbert Nobis (Hrsg.): Der Lärm der Strasse – Italienischer Futurismus 1909–1918. Mazotta, Mailand 2001, ISBN 88-202-1454-7.
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Futurismus – Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Reinbek bei Hamburg 1993, ISBN 3-499-55535-2.
Jan Simane: Die Futurismus-Sammlungen der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz. Semicerchio (42.2010,1), S. 9–11. ISSN 1123-4075.
Regina Strobel-Koop: Geschichte und Theorie des italienischen Futurismus – Literatur, Kunst und Faschismus. Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-8657-6.
Caroline Tisdall, Angelo Bozzola: Futurism. London 2000, ISBN 0-500-20159-5.
LINKS Futurismus
FUTURISMUS
Gino Severini, Nord-Süd-Metro, 1912
Umberto Boccioni, Forme uniche della continuità nello spazio, 1913, cast 1931 or 1934, Bronze, 111,2 x 88,5 x 40,0 cm, Museum of Modern Art New York | Aus Wikimedia Commons, dem freien Medienarchiv| Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. | Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers. | Dieses Werk ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten, weil es vor dem 1. Januar 1926 veröffentlicht wurde.
VIDEO / FILM Futurismus
euronews (deutsch) | 110 Jahre Futurismus: Eine Ausstellung zeigt die bedeutendsten Werke | Es ist eine Kunstrichtung mit Beigeschmack: der Futurismus. In Pisa sind verschiedene Werke der Bewegung zu sehen. … | YouTube
DEFINITION FUTURISMUS
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien entstandene radikale Avantgardebewegung. Der Futurismus brach mit den als veraltet empfundenen Traditionen, sah die Notwendigkeit einer antiklassizistischen Kunst und suchte eine Kunst zu schaffen, die den Anforderungen des modernen, technisierten und dynamisierten Lebens der großstädtischen Massengesellschaft gerecht werden sollte. Zentrales Anliegen war dementsprechend die Abbildung von Bewegung und Simultaneität (Gleichzeitigkeit). In der Malerei versuchte der Futurismus, die Statik traditioneller Bildinhalte aufzubrechen. So scheinen denn auch auf den Gemälden der Futuristen die Formen und Farben zusammenzustürzen (vergleichbar mit kubistischer Abstraktionstechnik). Figurationen zerfließen ineinander: So sollen nacheinander ablaufendes Geschehen (Bewegung) auf der Leinwand durch linear strukturierte, strahlenförmig geordnete Kraftfelder festgehalten werden. Eine oftmals in Kriegs- und Maschinenkult ausartende Ästhetik der Beschleunigung propagierten die Futuristen auch für Plastik und Architektur.
CHRONOLOGIE FUTURISMUS
Initiiert wurde der Futurismus durch ein 1909 von Filippo Tommaso Marinetti im Pariser Figaro veröffentlichtes Gründungsmanifest (Manifeste du futurisme), dem eine Flut weiterer Programmschriften folgte.
Die Bewegung des italienischen Futurismus war überaus einflussreich auf die Entwicklung von folgenden Strömungen der Moderne:
WEGBEREITER Futurismus
Der Einfluss des Futurismus geht wesentlich auf seinen Gründer Filippo Tommaso Marinetti und dessen erstes futuristisches Manifest von 1909 zurück.
KÜNSTLER FUTURISMUS
Gino Severini | Italien | 1883 – 1966
Robert Delaunay | Frankreich | 1885 – 1941
Giacomo Balla | Italien | 1871 – 1958
Umberto Boccioni | Italien | 1882 – 1916
Carlo Carrà
Luigi Russolo
HAUPTWERKE Futurismus
Filippo Tommaso Marinetti | Manifeste de Futurisme | 1909
Umberto Boccioni | Forme uniche della continuità nello spazio | 1913
STICHWORTE FUTURISMUS
praktische Anschauung des Prinzips der Dynamik | Verherrlichung von Technik | Geschwindigkeitsrausch | vom Pointilismus zur kubistischen Abstraktionstechnik | Entmaterialisierung der Gegenstände | fließend ineinander greifende abstrakte Bewegungsphasen | Durchdringung von Körper und Raum bei der Plastik
ZITATE FUTURISMUS
„Wir wollen die kämpferische Bewegung, die fiebernde Schlaflosigkeit … und den Faustschlag preisen. Wir erklären, dass der Glanz der Welt um eine neue Schönheit reicher geworden ist, um die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennautomobil … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samorthrake.“ | : Filippo Tommaso Marinetti: Gründung und Manifest des Futurismus (1909), in: Apollonio, Umbro (Hg.): Der Futurismus.
Manifeste und Dokumente einer künstlerischen Revolution 1909–1918, Köln 1972, S. 30–36
Historischer Hintergrund Futurismus
Geprägt wurde Marinetti bei der Verfassung des Manifests von seinem literarischen Freundeskreis, zu dem vor allem Symbolisten wie Guillaume Apollinaire, Joris-Karl Huysmans und Stéphane Mallarmé gehörten. | Diese bekannten sich zur Gewalt und lehnten sich gegen die herrschende bürgerliche Ordnung auf. | Marinetti stand auch den Anarchisten wie Pierre-Joseph Proudhon, Michail Bakunin und vor allem Georges Sorel nicht fern und begrüßte die Attentate ihrer Aktivisten. | In seinem Manifest findet man auch Gedankengut von Friedrich Nietzsche. | Denn wie Nietzsches Zarathustra, streben Marinettis Helden ihre Ziele allein gegen eine feindliche Welt ohne Rücksicht auf ihr Umfeld gewalttätig an. | Im Manifest werden sowohl die christliche Moral als auch eine Abneigung gegen Frauen ersichtlich, zudem zeugt es vom Fehlen jeglicher sozialer Bezüge. | Marinetti fasste nach einem vollendeten Jura-Studium Entschluss eine neue Kulturrichtung ins Leben zu rufen. | Das Manifest verherrlichte Gewalt, Aggressivität, Geschwindigkeit, Krieg und Rücksichtslosigkeit und sagte den sogenannten „Passatisten“ (Anhänger des Vergangenen) und deren Anhängern den Kampf. | Dazu gehörte die Zerstörung von Bibliotheken, Museen und Akademien als Orte des Passatismus (überlebte Anschauungen). Es sollte Italien eine neue kulturelle Identität verleihen. |
Als Italien gegen den Willen der Kirche und der Sozialisten 1915 in den Krieg eintrat, eilten die Futuristen, als Propagandisten der Gewalt, zu den Fahnen, wodurch das künstlerische Wirken fast zum Erliegen kam. |
Dreizehn Futuristen verloren im Krieg das Leben, einundvierzig wurden verwundet. | Unter den Toten befanden sich neben dem Architekten Sant’Elia auch Boccioni. | Von 1920 bis 1924 hüllte sich Marinetti in Schweigen, während die ehemaligen Syndikalisten Mino Maccari und Curzio Suckert in der 1920 gegründeten futuristischen Zeitung «L’impero» das antiklerikale und revolutionäre Programm des ursprünglichen Futurismus weiter entwickelten. | Marinetti schrieb weiterhin faschistische Werke und erwarb sich dadurch auch Aufmerksamkeit von Mussolini, welcher ihn politisch unterstützte.
BIBLIOGRAPHIE Futurismus
Christa Baumgarth: Geschichte des Futurismus. Reinbek bei Hamburg 1966.
Ralf Beil: Künstlerküche: Lebensmittel als Kunstmaterial von Schiele bis Jason Rhoades. Köln 2002. S. 38–57
Maurizio Calvesi: Futurismus. München 1975.
Monica Cioli, Oliver Janz: Kunst und politische Symbolik im italienischen Faschismus. In: Carl Kraus, Hannes Obermair (Hrsg.): Mythen der Diktaturen. Kunst in Faschismus und Nationalsozialismus – Miti delle dittature. Arte nel fascismo e nazionalsocialismo. Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Dorf Tirol 2019, ISBN 978-88-95523-16-3, S. 16–29.
Peter Demetz: Worte in Freiheit. Der italienische Futurismus und die deutsche literarische Avantgarde (1912–1934). Mit einer ausführlichen Dokumentation. Piper, München / Zürich 1990. ISBN 3-492-11186-6.
Benedikt Hjartarson: Visionen des Neuen: eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests. Winter, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8253-6134-1 (Dissertation Rijksuniversiteit Groningen 2012, 408 Seiten).
Eva Hesse: Die Achse Avantgarde – Faschismus, Reflexionen über Filippo Tommaso Marinetti und Ezra Pound. Arche, Zürich 1991, ISBN 3-7160-2123-7.
Dietrich Kämper (Hrsg.): Der musikalische Futurismus. Köln 1999.
Winfried Kreutzer: Stile der portugiesischen Lyrik im 20. Jahrhundert. Münster 1980, ISBN 3-402-05477-9.
Norbert Nobis (Hrsg.): Der Lärm der Strasse – Italienischer Futurismus 1909–1918. Mazotta, Mailand 2001, ISBN 88-202-1454-7.
Hansgeorg Schmidt-Bergmann: Futurismus – Geschichte, Ästhetik, Dokumente. Reinbek bei Hamburg 1993, ISBN 3-499-55535-2.
Jan Simane: Die Futurismus-Sammlungen der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz. Semicerchio (42.2010,1), S. 9–11. ISSN 1123-4075.
Regina Strobel-Koop: Geschichte und Theorie des italienischen Futurismus – Literatur, Kunst und Faschismus. Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8364-8657-6.
Caroline Tisdall, Angelo Bozzola: Futurism. London 2000, ISBN 0-500-20159-5.
LINKS Futurismus